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Shakespeare erzählt

Shakespeare erzählt

Titel: Shakespeare erzählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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»Der General hat Desdemona mit an Bord genommen. Dort unten scheint eine andere Sonne, ich werde zusehen, daß sie auf dich scheint.« Und er sagt noch: »Gib mir Geld, Geld braucht man, viel Geld braucht man, wenn man eine Frau gewinnen will. Geld, Geld!«
    Jago tastet bei Othello vor. Tut gar nicht so, als ob er dem General böse wäre, weil er den Michael Cassio ihm vorgezogen hat.
    Er schmeichelt: »Mein General, ich habe soeben erfahren, Ihr seid da irgendwie … Ihr seid verraten worden … von jemandem. Das ist unerhört! Euer Geheimnis wurde verraten! Also, wenn Ihr jemals meine Hilfe braucht, ich stehe natürlich zur Verfügung. Tag und Nacht, ist doch klar.«
    »Es ist gut, das zu wissen, Jago«, sagt Othello. Was habe ich doch für treue Männer, denkt er. »Mein lieber Jago«, sagt er dann, »mein Freund, denn du bist ein Freund, ich übergebe meine Frau Desdemona deiner Obhut.«
    Merkt Othello nichts? Ist er blind, taub, dumm? Er hat doch sicher mitgekriegt, wie Jago mit seiner eigenen Frau, mit Emilia, umgeht. Wie er sie runtermacht, wie er jedes Wort, das sie sagt, ins Schäbige zieht. Kann sich Othello nicht in Jago hineinversetzen, einen Millimeter bloß bis unter die falsche Haut? Doch, das kann er, das tut er. Er versetzt sich in Jago und schaut aus Jagos Augen auf Othello. Und was sieht er? Einen Mann, den man nur bewundern kann. Ein Vorbild, das man nur bewundern, auf keinen Fall hintergehen kann. So viel zu Othellos Menschenkenntnis – oder besser: zu seiner Selbsteinschätzung.
    Ein Sturm kommt auf, die See geht hoch, mit Mühe und Glück landet das venezianische Heer auf Zypern. Die türkische Flotte hatte kein Glück, sie ist abgesoffen. Das heißt, der Krieg findet nicht statt. In der Freude wird das dem General gutgeschrieben: »Othello ist ein so großer Heerführer, daß sich selbst die Elemente auf seine Seite schlagen!«
    Eine Siegesfeier muß auf jeden Fall sein, auch wenn der Krieg gar nicht stattgefunden hat.
    Rodrigo schleicht ins Lager, zupft den Jago, drängelt: »Was jetzt? Was willst du hier in meiner Sache unternehmen?«
    »Du kriegst deine Desdemona«, beschwichtigt Jago. »Es wird ein Fest geben heute nacht, und der neue Leutnant, dieser Michael Cassio, wird Wache stehen, das gehört sich nämlich so. Ich werde dir ein Zeichen geben, und dann fängst du mit dem Leutnant einen Streit an.«
    »Wie soll ich das anstellen?« fragt Rodrigo.
    »Kannst du einen Mann beleidigen?« fragt Jago.
    »Ich weiß nicht …«
    »Du weißt nicht, wie man einen Mann beleidigt? Schau seinen Rock an! Ein neuer Rock. Der Rock eines Leutnants. Du mußt ihm nur ein Glas Wein drüberschütten, dann ist er beleidigt.«
    Michael Cassio hält Wache, während die Soldaten feiern. Wache halten heißt vor allem, nüchtern sein.
    Jago gesellt sich zu Cassio. »Ich dachte, ich leiste dir Gesellschaft, damit du nicht so allein hier herumstehst.«
    »Das ist freundlich von dir«, sagt Michael Cassio.
    »Ist eine Selbstverständlichkeit unter Kameraden«, sagt Jago. Und im gleichen Ton fährt er fort: »Übrigens: Ich gratuliere, daß du Leutnant geworden bist. Ich muß wirklich sagen … ich meine, ich hätte mich auch gefreut, wenn ich es geworden wäre … Klar … Aber ich muß sagen, wenn ich dich so anschaue: Du bist ein würdiger Leutnant. Setz dich zu mir, jetzt trinken wir zwei einen, du und ich … auf deine neue Stellung.«
    »Du bist wirklich ein Kamerad«, sagt Michael Cassio. »Nur: Das kann ich nicht. Ich muß Wache stehen.«
    »Klar, du mußt Wache stehen … obwohl …«
    »Was obwohl?«
    »Was heißt heute nacht Wache stehen? Es ist doch gar kein Feind da, die Türken sind doch abgesoffen. Nur wir sind da. Wen mußt du vor uns beschützen? Uns selbst? Außerdem ist dieses Fest in Wahrheit das Hochzeitsfest von Othello und Desdemona. Natürlich … klar … rein pro forma … mußt du Wache stehen, das stimmt schon. Aber auf der anderen Seite … kannst du dir nicht vorstellen, daß Othello irgendwie auch gekränkt ist, wenn du ausgerechnet heute … stur, Blick gerade, Stiefel parallel, Dienst nach Vorschrift, ausgerechnet in dieser Nacht, seiner Nacht, Wache stehst?«
    »Vielleicht hast du ja recht«, sagt Michael Cassio. »Also gut, trinke ich einen Schluck. Auf den General und seine schöne Frau!«
    »Ja«, sagt Jago, »und auch auf uns zwei! Jetzt hast du schon ausgetrunken, Michael. Jetzt mußt du noch auf uns zwei trinken!«
    »Also gut«, sagt Michael Cassio, »noch einen. Aber nur

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