Shakespeare, Katz & Co
spontanes Mahl im Duck Pond, dem besten mexikanischen Restaurant westlich des Mississippis. Daher war es ziemlich spät, als Penelope, Andy und Big Mike nach Hause kamen.
Nachdem sie Chardonnay gefüttert und ihr einen ordentlichen Ausritt versprochen hatte, ließ Penelope Andy im Wohnzimmer zurück, wo er sich die Bruchstücke von Citizen Kane im Fernsehen ansah, die gelegentlich die endlosen Werbespots unterbrachen. Sie ging in ihr kleines Büro, schob die Diskette ins Laufwerk A, rief die Dateien auf und ging die zahlreichen Aufzeichnungen der Elisabethanischen Frühlingsfestspiele von Empty Creek durch.
Zuerst listete sie die Namen der zahlreichen Liebhaber der ehemaligen Königin auf. Bewaffnet mit großen Pappbögen, verschiedenfarbigen Textmarkern und der Hilfe von Big Mike, entwirrte Penelope Carolyns verworrenes königliches Liebesleben.
Carolyn hatte den Thron 1586 mit dem ersten Sir Robert Dudley bestiegen. Sowohl am Hof als auch in der Enge des königlichen Zeltes war er ihr ständiger Begleiter gewesen. Die ersten Jahre ihrer Regentschaft waren relativ normal verlaufen, aber im vierten Jahr, nach dem Sieg über die Armada, hatte Dudley sie wegen einer Schankmaid recht unsanft abserviert.
Damit fing der Ärger an. Carolyn traf der Verlust schwer, und ab 1590 nahm sie sich einen Liebhaber nach dem anderen, um sich am Ende jeder Festspielsaison zu rächen. Statt selber abserviert zu werden, gab sie jetzt den Männern den Laufpaß.
Verglichen mit diesem Drama waren Charles und Diana Waisenknaben dagegen.
Penelope dachte nach. Irgendwann in diesem Zeitraum hatte Carolyn sich selbst davon überzeugt, daß sie wirklich Königin Elisabeth war, und damit begonnen, ihre Untertanen willkürlich zu regieren. Dabei hatte sie grenzenlose Treue verlangt und auch bekommen. Erstaunlich, dachte Penelope. Jemand hätte Ihrer Königlichen Majestät raten sollen zu verduften. Aber Penelope begriff langsam, daß die Teilnehmer der Festspiele, wenn überhaupt, einen recht dürftigen Sinn für die Wirklichkeit hatten. Sie glaubten wirklich, daß sie Untertanen der englischen Krone waren.
Der nächste Sir Robert war zum Lord High Mayor abgestiegen. Dieser Posten brachte zwar eine Menge Ansehen und Verantwortung mit sich, entsprach aber nicht dem hohen Rang des königlichen Liebhabers. 1592 folgte der Mann, der nun den Lord High Sheriff spielte, und 1593 kein Geringerer als Sir Francis Bacon. Diese Tatsache hatte Sir Francis merkwürdigerweise in jeder Unterhaltung mit Penelope vergessen zu erwähnen. Seine Stellung änderte sich 1594, als Sharons Lehrer und Mentor den Posten antrat und diesem 1595 befohlen wurde, die Rolle als Liebhaber weiterzuspielen.
Penelope hatte Big Mike gerade gefragt, was er denn von all dem hielt, als das Telefon klingelte und somit eine vielleicht interessante Antwort verhinderte.
»Ja?«
»Gott sei Dank, daß Sie da sind. Ich rufe schon seit Stunden an. Haben Sie vergessen, Ihren Anrufbeantworter einzuschalten?«
»Ich habe keinen Anrufbeantworter«, erwiderte Penelope. »Ich halte nichts von den Dingern. Wer spricht da überhaupt?«
»Quentin Parnelle. Sie haben alle Dateien.«
»Ja. Das haben Sie mir heute nachmittag schon gesagt.«
»Nein, ich meine, Sie haben jetzt tatsächlich die einzigen Dateien. Mein Computer ist zehn Minuten nachdem Sie gegangen sind abgestürzt.«
»Machen Sie keine Sicherungskopien von Ihren Dateien?«
»Natürlich, aber jemand hat sie alle gelöscht. Mein Computermann sagt, es hat jemand mit Absicht gemacht. Arme Amanda. Sie ist von einem Virus befallen worden. Wer würde ihr so etwas antun?« Ja, wer?
Sogar die Empty Creek National Bank, das konservativste örtliche Geschäftsunternehmen, hatte den berüchtigten Werbezettel neben anderen, schicklicheren Broschüren – wie zum Beispiel Informationsmaterial über Zinssätze, Haus- und Autofinanzierungskredite und Depotscheine – ausgelegt. Glücklicherweise handelte es sich um eine kleine Bank, die nur vier Kassen und zwei Schalter besaß, an denen die Zettel plaziert werden konnten. Da jedoch beinah jeder in der Stadt Kunde der Bank war, bot diese Tatsache wenig Trost. Es gab kein Entkommen vor der Werbekampagne von Wonder Ideas.
Es waren nur zwei Kunden und die Angestellten anwesend, als Penelope die Bank betrat und die Werbezettel sah, aber sie hatte das Gefühl, als sei jedes Augenpaar mißbilligend auf sie gerichtet.
Die Direktorin der Empty Creek National Bank, Samantha Dale – »Sam«
Weitere Kostenlose Bücher