Shakespeares ruhelose Welt
gefährlichen und desperaten Verrat» verwickelt, mit dem Ziel, die Königin zu vergiften. Das Motiv sei Gier – eine angebliche Bestechungssumme von 50.000 Kronen wird genannt. Essex ließ nicht locker, und seine Untersuchung endete mit Lopez’ Verurteilung und öffentlicher Hinrichtung: Am 7. Juni 1594 wurde er in Tyburn gehängt, ertränkt und gevierteilt.
Aus A Thankfvll Remembrance : «Parry, unfähig die Königin zu töten». William Parry war eine der merkwürdigen Gestalten, die sich in der Grauzone zwischen exilierten Katholikengruppen und der englischen Regierung bewegten. Bis heute ist unklar, ob er Spion oder Verschwörer war.
Lopez war vermutlich unschuldig: Wie es aussieht, hatte selbst die Königin erhebliche Zweifel an seiner Schuld. Doch der Fall war durch die allgemeine Verwirrung, Paranoia und Doppelagenten hoffnungslos verfahren. Einmal ins Rollen gebracht, ließ sich die Sache nicht mehr aufhalten; zudem war Essex entschlossen, nicht locker zu lassen, weil er sich eine wirkungsvolle Verbesserung seiner eigenenStellung versprach. Das alles besiegelte schließlich Lopez’ Schicksal.
Aus A Thankfvll Remembrance : «Babington und Komplizen in St. Giles Fields». Von der Hinrichtung im Hintergrund lassen sich die Verschwörer nicht schrecken.
In seiner Darstellung dieses Komplotts beschreibt Carleton die fremde, nämlich jüdische Natur des Verräters und seines Verhaltens: «Lopez hat alle Punkte, Artikel und Einzelheiten der Anklage, wie dies Juden tun, mit großen Eiden und Verwünschungen bestritten.» Interessanterweise aber sieht sich Carleton veranlasst zu behaupten, hinter Lopez’ jüdischer Art stehe die noch fremdere, noch bedrohlichere Macht der katholischen Kirche: «Diese Praxis des Vergiftens … war durch Päpste in die Kirche gekommen, und sie gehört zu den Sünden der antichristlichen Synagoge, und wird als Doktrin gelehrt von den römischen Rabbinern.» Juden im Bund mit dem Papst: eine Achse des Bösen, die sich kaum überbieten ließ.
Susan Doran sieht in Carletons starrem Blick auf die Katholiken die Hauptgefahr für den englischen Staat:
«Er hat damit auf die besonderen politischen Umstände seiner Zeit reagiert. Die Katholiken galten als Agenten des Antichristen. Begonnen hatte das mit der Art, in der die Scheiterhaufen unter Marias Regentschaft in England dargestellt wurden: Katholiken waren illoyal, folgten einer Irrlehre und beteten Götzenbilder an; sollten sie je wieder an die Macht gelangen, müssten die Protestanten um ihr Leben fürchten, denn Katholiken verbrannten Menschen. Die Massaker der Bartholomäusnacht von 1572 in Frankreich verstärkten diesen Eindruck noch. Es herrschte also Angst – ähnlich der Islamophobie heute, oder zumindest direkt nach dem Anschlag auf die Twin Towers –, Angst vor einer internationalen Verschwörung gegen den Protestantismus, gegen die wahre Kirche und gegen den wahren Monarchen.»
Carletons Höhepunkt ist der Gunpowder Plot – jener berühmt-berüchtigte Versuch einer Handvoll katholischer Verschwörer, die 1605 das Parlament in die Luft jagen und dabei den König töten wollten. Er nennt das «einen Schlag, um die Religion auszurotten, den Staat zu zerstören [und] den Vater unseres Landes». So sehr erregt sich Carleton, so mächtig ist dies Ereignis in seiner und der Erinnerung seiner Leser, dass er sich diesmal nicht auf die üblichen Verdächtigen beschränkt – generell die Spanier, hin und wieder die Franzosen, stets der Papst. Der Plan, ein Parlament in die Luft zu sprengen, ist derart höllisch, dass dieser Gunpowder Plot nur aus dem «Abgrund Satans» selbst heraufsteigen konnte.
Carleton zielt darauf ab, die Angst vor dem Terrorismus so allgegenwärtig zu machen, dass England, wenn denn seine Berichte der Wahrheit entsprechen, Hamlets Dänemark gleicht, einem Königreich kurz vor seiner Auflösung – einem Land, in das jederzeit fremde Armeen einfallen können, in dem jeder jeden ausspioniert, in dem ein abgefangener Brief entweder das Leben eines Mannes retten kann oder ihn, wie Babington und Lopez, wie Rosenkranz und Güldenstern, in den Tod schicken.
Für die meisten von uns heute erscheinen Ereignisse wie die Niederlage der Armada, die Lopez-Affäre oder die Vereitelung des Gunpowder Plot als voneinander unabhängige, als Einzelereignisse. Carleton aber sah alle miteinander verbunden, alle gehörten sie zu einem finsteren Plan, der, im Ausland ausgeheckt, nun im Inland durch verdeckte feindliche
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