Shakespeares ruhelose Welt
das Klingen von al-Mansurs Münzhämmern zu hören.
George Gower, Elisabeth I. , das «Armada-Portrait», 1588–1600. Mit dem Sieg über die Spanische Armada hat die englische Königin internationale Bedeutung erlangt.
Diese Münze al-Mansurs hier, bewahrt im British Museum, hat exakt die Größe eines heute gängigen 2-Pence-Stücks, ist jedoch dünner als dieses und, natürlich, auspurem Gold geschlagen. Beide Seiten sind bedeckt mit einer wunderbar kalligraphierten arabischen Inschrift: «Im Namen Gottes, des Barmherzigen, des Gnädigen» – so beginnt das mittlere Schriftfeld, nennt dann al-Mansur den «Herrscher der Gläubigen». Die Münze verrät den Ort und das islamische Jahr der Münzausgabe: «Geschlagen in der Stadt Marakesh, Gott möge sie schützen, im Jahr eintausendundacht». Das ist unser Jahr 1600, seit rund fünf Jahren wurde Der Kaufmann von Venedig damals bereits gespielt.
Karte von Nordafrika, mit Marrakesch (Marokko), aus: Abraham Ortelius, Theatrum Orbis Terrarum , 1570. Marokko, das westliche Ende der nordafrikanischen Küste, gehörte nie zum Osmanischen Reich; nicht nur im Mittelmeer, auch im Atlantik spielte es eine Rolle.
Marokko war reich an Salpeter, dem Hauptbestandteil des Schießpulvers, ebenso an Zucker und Gold. 1585 haben Londoner Kaufleute die Barbary Company für den Nordafrikahandel gegründet. In der 1620er Jahren lebten in Marokko und den angrenzenden Ländern beträchtliche Gemeinden englischer Immigranten. Englische Kaufleute und Kunsthandwerker zogen ihren Vorteil aus dem Reichtum dieser Regionen und ihren weltweiten Handelsverbindungen und brachten es so zu einigem Wohlstand. Ein kontinuierlicher Strom von Menschen und Waren bewegte sich zwischen Nordafrika und England hin und her. Aber es war eine ungleiche Beziehung: England widmete dem reichen Marokko mehr Aufmerksamkeit als umgekehrt die Marokkaner dem Inselreich. Erst nach dessen Sieg über die Armada, nach 1588 also, schenkte Sharif al-Mansur Englands Macht größere Beachtung. Marokko befand sich mehr oder weniger unablässig im Krieg mit Spanien, und da erschien das siegreiche England plötzlich als ein nützlicher Bundesgenosse: Um den Sieg ihrer Königin über den gemeinsamen Feind zu feiern, ermutigte der Sharif die englischen Bewohner Marokkos, Freudenfeuer zu entzünden.
Um die neue Allianz zwischen beiden Ländern zu festigen, schickte al-Mansur Emissäre nach England. Im Jahr 1600 waren die Londoner ungeheuer beeindruckt, wenn der marokkanische Botschafter Abd al-Wahid bin Masoud bin Muhammad al-Annuri mit seinem prächtigen Gefolge durch die Stadt zog. Für viele war dies nicht nur der erste Blick auf Afrika, sondern auch auf die Welt des Islam. Kate Lowe, Renaissancehistorikerin an der Queen Mary University of London, erläutert:
«Mit dieser Gesandtschaft von 1600 bekam eine größere Zahl Londoner zum ersten Mal Muslime zu Gesicht, die sich in einer Gruppe auch muslimisch verhielten. Es muss einen enormen Drang geweckt haben, mehr darüber zu erfahren. Dabei hat es wohl durchaus Unterschiede gegeben zwischen der öffentlichen Meinung und der offiziellen Politik des Hofes, wo die Fremden als Verbündete gegen Spanien betrachtet wurden. Am Hof also wurden sie akzeptiert, wahrscheinlich in einer Weise, die die Menschen auf der Straße nicht verstanden.»
Der marokkanische Botschafter Abd al-Wahid bin Masoud bin Muhammad al-Annuri leitete eine Gesandtschaft, die 1600 an Elisabeths Hof kam. (Unbekannter Künstler, 1600)
Die Straße war den Fremden sehr viel weniger freundlich gesonnen, das Verhalten gegenüber Mauren konnte ziemlich feindselig sein – und es gab einige von ihnen auf Londons Straßen. 1595 hatten englische und marokkanische Soldaten gemeinsam nordafrikanische Galeerensklaven aus spanischen Schiffen befreit. Manche wurden nach Marokko zurückgeschickt, anderen wurde erlaubt, nach England zu kommen. Trotz des Interesses der Königin, ihre maurischen Verbündeten zu schützen, protestierten die Londoner, und die Mauren mussten wieder ausgewiesen werden.
Shakespeare benutzt die Worte «Marokkaner» oder «Muslim» nicht. Der den Elisabethanern geläufige Ausdruck für Nordafrikaner war moor , «Mohr» oder «Maure». Kate Lowe bemerkt dazu:
«Das Wort moor klingt eindrucksvoll, besagt aber recht wenig. Ursprünglich war es die klassische Bezeichnung für Menschen, die in Mauretanien lebten, der römischen Provinz an der Spitze Nordafrikas. Später gewann es neue Bedeutungen hinzu,
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