Shaman Bond 03 - Der Spion, der mich jagte
bedachte. Er war nicht nur der Erste, der das Herrenhaus zu verteidigen hatte, sondern er war auch für die Disziplin innerhalb der Familie verantwortlich. Ein guter Seneschall wird respektiert, vielleicht sogar gefürchtet, aber nie gemocht. Vielleicht ist das ein Teil der Anforderungen, die der Job stellt: Du sollst bei deinen Nächsten nicht beliebt sein. Der Seneschall hält die Familiendisziplin aufrecht, indem er jedes Gesetz mit offener Brutalität durchsetzt.
Auch bei den Kindern spart er nicht mit dem Rohrstock.
Der neue Seneschall trug - wenn auch nicht mehr öffentlich - den Namen Cedric. Da ist etwas an bestimmten Namen, das dafür sorgt, dass die, die damit geschlagen sind, ihre ganze Kindheit hindurch gemobbt und gehänselt werden. Manchmal denke ich, das machen die Eltern mit Absicht, damit ihr kostbarer Nachwuchs auch ganz bestimmt abgehärtet wird. Mit einem Namen wie Cedric war er wohl dazu bestimmt, eines Tages Seneschall zu werden. Entweder das oder Serienkiller.
Er stand fest im Türrahmen und mir absichtlich im Weg. Finster starrte er mich an und hatte die Arme vor seiner beeindruckenden Brust verschränkt. Ich sah ihn nachdenklich an und versuchte, ihn einzuschätzen. Als ich die Familie geführt hatte, war ich von der Familiendisziplin ausgenommen, aber jetzt war ich ja wieder nur ein einfacher Agent. Was mich betraf, war ich allerdings immer noch eine Ausnahme. Ich hatte schon immer Probleme mit Autoritäten gehabt; auch als ich selbst eine war. Ich glaube fest an Regeln und Disziplin innerhalb der Familie, solange sie nicht auf mich zutreffen. Ich war versucht, den Seneschall mit der Heiterkeitsbombe zu bewerfen, die ich noch hatte - einfach um zu sehen, was dann passierte. Mir gefiel der Gedanke, Cedric nackt auf dem Rasen sitzen zu sehen, wie er die Greifen umarmte und ihnen Schlager vorsang. Aber - ich hatte mir selbst versprochen, brav zu sein. Jedenfalls solange, bis ich herausgefunden hatte, was denn so wichtig war, mich derart dringend zurückzubeordern.
Und wie tief ich in der Scheiße steckte.
»Hallo, Cedric«, sagte ich. »Wie läuft’s denn so?«
»Weg mit dem Auto«, erwiderte er. Seine Stimme war nur wenig mehr als ein Flüstern und wirkte umso bedrohlicher. Sein kalter, starrender Blick hätte einen Mann mit weniger Haltung in Tränen ausbrechen lassen.
»Mach’s doch selbst«, erwiderte ich fröhlich. »Wirklich, ich würde zu gern sehen, wie du das machst. Jeder, der versucht, dieses Auto gegen seinen Willen vom Fleck zu bewegen, lieber Seneschall, wird sich beinahe sicher in kleinen Einzelteilen wiederfinden, die über eine weite Fläche über dem Rasen draußen niederregnen.«
»Vor dem Herrenhaus zu parken ist gegen die Regeln«, sagte der Seneschall. Er hatte wirklich einen beeindruckenden Blick drauf. Wahrscheinlich hätte er bei jedem anderen sogar gewirkt.
»Das bin ich auch«, antwortete ich. »Und jetzt schieb deinen unglaublich großen Hintern aus meinem Weg, sonst petze ich der Matriarchin, dass du gemein zu mir warst. Ich bin hier, um mich mit ihr und dem Rat zu treffen.«
»Weiß ich. Und du bist zu spät«, sagte der Seneschall. Er beugte seine massige Gestalt leicht über mich. »Mich interessiert nicht, wer du bist oder was du getan hast. Versuch nicht, den Molli mit mir zu machen, oder ich sorge dafür, dass du gar nicht mehr kommst. Dann bist du nämlich der verstorbene und nicht mehr der verspätete Eddie Drood!«
»Siehst du, und schon hast du’s wieder verdorben«, meinte ich. »Niemals so übel kalauern, Cedric.«
Sein Ausdruck änderte sich nicht, aber er trat zurück, damit ich an ihm vorbeikonnte. Ich tat es mit der Nase in der Luft. Hinein ins Herrenhaus, das auch mein Heim war, ob ich das nun wollte oder nicht. Zurück in den kalten Schoß und die gefährlichen Intrigen meiner geliebten Familie.
Ich ging ohne Eile durch die langen Korridore und Gänge. Die großen offenen Salons und Galerien waren mit den Beutestücken der Vergangenheit vollgestellt. Dem Sieger gehört die Beute, und wir wurden mit Beute verwöhnt. Das Herrenhaus ist vollgestopft mit angesammelten Schätzen, einschließlich Meisterwerken der Kunst und berühmten Statuen von unsterblichen Künstlern. Geschenke von dankbaren Regierungen und anderen. Oder vielleicht nur ein Tribut an die heimlichen Herren der Welt. Genauso zur Schau gestellt waren die Rüstungen und Waffen aus vergangenen Jahrhunderten und die nicht wenigen aus der Zukunft; alle mit ihren eigenen
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