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Shampoo Planet

Shampoo Planet

Titel: Shampoo Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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Eßtisch ereignete. Kurz bevor Großvater aufbrechen wollte, begann er zu husten - wahre tuberkulöse Lungenfetzer -, und wir konnten nichts anderes tun, als höflich dazusitzen und das Ende des Hustenanfalls abzuwarten. Als wir dachten, er wäre zu Ende, standen wir auf, verließen den Tisch und gingen schnell zur Tür, als Großvater plötzlich einen allerletzten, 1000 Kilotonnen schweren Lungenstoß von sich gab, geradewegs in den Kandelaber aus Sandelholz hinein, den Jasmine auf dem Kunstgewerbemarkt in Snohoma gekauft hatte, und dabei alle drei Kerzen ausblies. Wir gingen nach vorne zur Haustür und sagten ihm und Großmama auf Wiedersehen. Dann, während Jasmine die Großeltern hinunter zu ihrem bald wieder in Besitz zu nehmenden Lincoln Continental begleitete, gingen Daisy, Mark und ich zurück ins Eßzimmer und schauten schweigend auf den Kandelaber. Während Daisy und Mark neben den Kerzen verharrten, holte ich eine Schachtel Streichhölzer vom Kaminsims, kam zurück zum Tisch und zündete die Kerzen wieder an. Als sie richtig brannten, traten wir drei näher heran und bliesen sie zusammen aus, ohne ein Wort zu sagen, gerade als Jasmine wieder zur Tür hereinkam.
    »Was macht ihr denn da, Kinder?« fragte sie uns, aber wir gaben keine Antwort, und so ging sie in die Küche. Über diesen Moment ließ sich nicht sprechen; er gehört uns ganz allein. Als Geschwister hatten wir instinktiv verstanden, daß wir einmal im Dunkeln stehen werden, doch wollten wir lieber in einem Dunkel stehen, das wir selbst herbeigeführt hatten.
     

17
     
    Ein fremdes, neues Land. Genau das, was ich brauchte. Kanada: Nasse lakritzschwarze Straßen, fremdes Radio, unbekanntes Essen und niedrigeren Bio-Druck.
    Aber auch Krämpfe durch die lange Autofahrt - über Stunden hin. Anna-Louise und ich steigen mitten in einem dichten Wald, eine halbe Stunde vor Glen Anna, aus dem Comfortmobile. Wir gähnen und schnappen gierig nach Sauerstoff wie Astronauten, die auf die Erde zurückkehren, strecken uns, hüpfen auf und ab und kratzen uns am Kopf, während wir den forellengrauen Himmel in uns aufsaugen.
    »'ne Partie Fangen?« frage ich.
    »Super.« Ich werfe Anna-Louise ihren Baseballhandschuh zu, und wir werfen uns auf dem Kiesstreifen neben der Straße den Baseball zu, hin und her, wobei wir zu einem Rhythmus gelangen, der es uns fast gestattet, die Augen zu schließen, als würde eine Sciencefiction-Kraft unsere Muskeln lenken.
    Diese Art, Fangen zu spielen, ist wie Tanzen, wenn einer der Tänzer die Führung übernimmt, in diesem Fall Anna-Louise, die in ihrer roten Daunenjacke, den Wanderstiefeln und ihrer Kordhose unser Spiel immer weiter von der Straße entfernt und in den Wald verlagert. Bei jedem Wurf dringt Anna-Louise etwas tiefer in die Baumgruppen hinein, und ich folge schweigend, fühle mich verführt von einem genetischen Geheimnis, wie ein Teenager, der zu masturbieren lernt; ohne zu wissen, was ich tue, aber ohne deshalb einzuhalten; immer tiefer in den Wald hinein, den Ball wunderbarerweise so manövrierend, daß jede Unterbrechung, jede hausdienersteife Hemlocktanne und jede Fichte zwischen uns geschickt umgangen wird; Unterholz und Gebüsch dämpfen alle Geräusche bis auf das Rauschen des Blutes in meinen Ohren und das Aufschlagen des Balls in unseren Handschuhen.
    Das aufschlagende Geräusch rückt mit jedem Wurf näher, in dem Maße, in dem Anna-Louise und ich uns auf dem stillen, ach-so-stillen, kühlen, trockenen Moos einander nähern. Immer näher kommen. Bis wir aufeinandertreffen.
    Später, als wir den Wald verlassen und den Straßenschotter unter unseren Stiefeln knirschen hören, spüren wir Regentropfen auf unseren Wangen, ein bedeutendes Ereignis für Leute wie uns, die in einem anderen, trockeneren Teil der Welt leben.
    »Ist dir klar, Tyler«, sagt Anna-Louise, »daß es die ganze Zeit über, die wir im Wald waren, geregnet hat, und wir haben nicht einen einzigen Tropfen abbekommmen? Da toste ein Sturm, und wir haben es nicht einmal gewußt.«
    Während wir wieder ins Comfortmobile steigen, klopfen wir uns die Tannennadeln, die uns von oben bis unten bedecken, von den Kleidern.
     

18
     
    Es regnet in Strömen. Anna-Louise findet gerade auf der Straßenkarte heraus, daß Glen Anna bloß noch ein paar Minuten entfernt ist, bei der Straßengabelung gleich hinter dem Hügel.
    Unser Abenteuer im Wald hat uns ziemlich schläfrig gemacht. Langsamer werden wir auch durch das Auftauchen eines Holztransporters

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