Shampoo Planet
diesen ... Käsewürfeln zu füttern. Die sind ungefähr so nahrhaft wie die Zündflüssigkeit für den Kohlegrill. Du solltest dich schämen.«
Lächelnd gab sie mir noch einen Klaps aufs Ohr.
»Was soll das, Jasmine? Die Vögel haben einen langen Winter vor sich. Sie brauchen ihre Kalorien. Ich erspare ihnen unzählige Stunden des Rumlaufens und Suchens nach irgendwelchen Larven, oder was immer sie auch fressen.«
»Vögel haben keine Vorstellung von Freizeit, Tyler. Hör zu, es ist zweifellos sehr nett von dir, die Eichelhäher mit Käsewürfeln zu füttern, aber die Vögel müssen nach Süden fliegen, und wenn du sie weiter so fütterst, werden sie niemals motiviert genug sein, aufzubrechen. Und wir finden sie dann tot im Vorgarten, gestorben an technischer Unterernährung, obwohl ihre kleinen Vögelbäuche voll sind. Also laß die Vögel jetzt in Ruhe.«
Die Eichelhäher wurden etwas unwirsch. Einer hüpfte auf den Fenstersims, fast auf Atemabstand vor mein Gesicht, und kreischte bösartig. Hübsche Vögel; ungünstige Stimmen.
»Okay, okay, Jasmine. Hau ab, du. Kusch!« Der Eichelhäher schoß davon, und ich machte das Fenster zu.
»Hattet ihr, Anna-Louise und du, eine schöne Fahrt nach Kanada?«
»Nein.«
»Das tut mir leid. Aber Genaueres mußt du mir später beim Abendessen erzählen. Ich bin spät dran. Um wieviel Uhr bist du letzte Nacht nach Hause gekommen?«
»Halb zwei.«
Jasmine pickt mir einen Kuß auf die Stirn. »Laß dein erstes Seminar ausfallen. Ach, ich habe übrigens eine Überraschung. Rate mal, wer zu Besuch nach Lancaster kommt?«
»Wer?«
»Miss France. Deine Bekannte Stephanie, wenn dein Gedächtnis einen kleinen Stups braucht.«
»Oh?« erwidere ich, und meine Stimme bricht.
»Genau. Datum und Ankunftszeit habe ich an die Tafel geschrieben. Sie bringt ihre Freundin Monique mit. Sie mieten in Seattle einen Wagen und fahren ein bißchen umher. Sie klang sehr lieb.«
»Ahm. Ja.«
»Und auch Anna-Louise wird sich zweifellos freuen, sie kennenzulernen. Meinst du nicht?« Folterzeit. »Ich muß mich jetzt beeilen, Spätzchen. Wir essen dann zusammen zu Abend. Stell die Kaffeemaschine aus, wenn du gehst.« Sie zwinkert mir zu und verläßt das Zimmer.
Jetzt ist Nacht.
Stephanie kommt also nach Lancaster. Gütiger Himmel. Ich wollte sie eigentlich in mir vergraben halten wie Uranerz. Hatte eigentlich vor, sie für ein ungelöstes Mysterium zu halten wie eine in der mexikanischen Wüste aufgefundene, abgestürzte DC-10 ohne Flügel. Lancaster und Europa waren bisher zwei unabhängige Planeten, und jetzt wollen diese Planeten unbedingt kollidieren. Quelle Schlamassel.
Über meinem Kopf streunt Kittykat auf leisen Pfoten übers Dach, beharrlich, vorsichtig. Was will sie bloß?
TEIL ZWEI
20
Okay. Ich werde von Europa erzählen.
Europa: Schon bei der Landung auf dem Flughafen Schiphol in Amsterdam wußte ich, daß ich in einer anderen Welt war. Die holländischen Frauen sehen alle aus wie Stewardessen und die holländischen Männer wie Showmaster. Die gefällig modernen Stahlkorridore, durch die ich meinen Gepäckwagen zu den Zügen in Richtung Innenstadt manövrierte, rochen im Gegensatz dazu nach den Dünger-Sporen der manikürten Legoland-Bauernhäuser zu beiden Seiten der Start- und Landebahn. Während ich auf meinen Zug wartete, der mich in die Innenstadt bringen sollte, fingerte ich an dem geflügelten Namensschild herum, das ich mir von der Stewardeß erbettelt hatte als Andenken für Anna-Louise ( H allo, ich heisse: ... Oh, Miss). Ich begann schon zu dem Zeitpunkt zu verstehen, daß du an der Schwelle zu Europa ein Paar Flügel überreicht bekommst - nicht etwa um damit hoch hinauf in den Himmel zu fliegen, sondern eher zurück in die Zeit.
Die Eindrücke während meiner ersten sechs Eurowochen, bevor ich Stephanie kennenlernte, sind verschwommen - eher Erfahrungen als Beziehungen. Schwarze Fahrräder, vollkommene kleine Beeren, allgegenwärtiges MTV, intelligente Kreditkarten, häßliche Jeanskleidung, tolle italienische Kids, paninari auf Vespamopeds, so rasant gekleidet, so echte Spitze, daß man sie eigentlich verhaften müßte.
Der eine wahre Freund, den ich in der Zeit fand, war Kiwi, ein Neuseeländer, den ich am ersten Abend in Bob's Jugendherberge auf dem Nieuwezijds Voorburgwal kennenlernte. Kiwi war ein dreister Cocktail-Enthusiast aus Dunedin auf South Island mit Dreitagebart und voller Theorien. Er war die Ausnahme von der Regel jugendlicher
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