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Shampoo Planet

Shampoo Planet

Titel: Shampoo Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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vor uns, der mit riesigen Stämmen von Douglasfichten beladen ist, deren Enden mit weißer Farbe besprüht und mit roten Zahlen bemalt, fast unsere Windschutzscheibe durchbohren.
    »Männliche Handschrift«, bemerkt Anna-Louise. »Wie auf Jasmines Stirn.«
    Ich überlege, was diese Zahlen und Buchstaben wohl bedeuten. Alphabetischnumerische Codes, die zweifellos einem wertsteigernden Computer in Yokohama für die Verwandlung der Stämme in Eßstäbchen und Papierhandtücher hilfreich sind.
    »Meine Mutter hat mir erzählt«, setzt Anna-Louise hinzu, »daß Touristen in Hubschraubern bei der Besichtigung der Ruinen vom Ausbruch des Mount Saint Helen auch über Kahlschlag geflogen sind und gesagt haben: ›Oh, Gott, das ist ja schrecklicher als jedes Szenarium, das man sich vorstellen kann.‹«
    Ich erwähne Anna-Louise gegenüber, daß ich von einem Kahlschlag auf Vancouver Island gelesen habe, der so furchtbar, so entsetzlich und geschändet aussehen soll, daß er als Black Hole bekannt wurde; sogar die Holzfäller waren angewidert von dem, was sie da getan hatten, und das Gelände wurde für alle Besucher gesperrt.
    »Ooh! Das ist mein Lieblingslied«, verkündet Anna-Louise, als ein psychedelisches Dance-Mix-Revival aus den Lautsprechern des Comfortmobiles dröhnt. »Dreh's voll auf. Hier muß man einfach mitfetzen.«
    Der Holztransporter verschwindet aus den Augen und aus dem Sinn, dreht ab auf eine schotterige Zufahrtstraße. Das Comfortmobile dröhnt wie eine Party in Hochstimmung, während wir außer Rand und Band die kanadische Nässe durchsausen und den steilen Hügel erklimmen. Anna-Louise schwingt im freiheitlichen Tanz, so gut es innerhalb der eleganten mattschwarzen Beschränkungen des Wagens möglich ist.
    »Hast du die Kamera? Wir sind fast da«, ruft sie.
    »Aber immer«, erwidere ich, trete das Gaspedal durch, um den Hügel zu meistern, und kann den Ausblick kaum erwarten.
     
    Es gibt nichts zu sehen. Kein Glen Anna.
    Oder vielmehr, da war einmal ein Glen Anna. Wir haben es nur knapp verpaßt. Der Wald ist verschwunden, und ich finde keine Worte. Keine Zauberformel, die ich rufen kann, um die Bäume zurückzuholen.
    Anna-Louise und ich sitzen auf einem Baumstumpf so groß wie ein riesiger Eßtisch inmitten einer Prärie aus grauem Schlamm und Baumstümpfen. Da ist nichts, bis zum Horizont. Keine Vögel oder andere Tiere, weil nichts für Vögel oder andere Tiere vorhanden ist. Der Verlust ist absolut, und Anna-Louise und ich werden naß bis auf die Haut, da wir noch zu betäubt sind, um unseren Kopf zu bedecken.
    Wir sitzen auf dem Baumstumpf, und Anna-Louise zieht einen kleinen rosa Plastikkamm hervor und fängt an, mein zotteliges, nasses Haar zu kämmen, das sie heute abend schneiden wollte. Sie hat die Schere aus ihrer Nylongurttasche gezogen und weggeworfen. Weit geöffnet liegt sie da, auf Generationen blutender orangefarbener Baumringe, auf dem Baumstamm, auf dem wir sitzen, und Anna-Louise und ich weinen, weil alle Bäume weg sind.
    Sag jetzt nichts.
     

19
     
    Dies ist meine Welt: Sie wird ausgefüllt von meiner Familie und Musik und dem College und Freunden und Hoffnungen und Ängsten. Manchmal geht in meiner Welt alles viel zu schnell, und manchmal scheint alles wie festgefroren. Aber meine Welt gehört mir, sie ist mein Kreidekreis.
    Ich liege auf meinem Bett und starre an die Decke. Das einzige Licht, das ich sehe, stammt von meiner Globus-Farm am anderen Ende des Zimmers, von meiner Gruppe orangefarbener und blauer Planeten, die Licht und Wärme verbreiten.
    Bevor ich heute morgen zum College ging, fütterte ich von meinem Fenster im zweiten Stock aus eine vorwitzige, heisere Tanzgruppe von Stellers Eichelhähern. Käsewürfel in mundgerecht-appetitlichen Häppchen, hergestellt aus Erdölnebenprodukten und fröhlich verpackt, um den Genuß von Spielfilmen im Spätprogramm des Fernsehens noch zu steigern. Die Eichelhäher waren ganz verrückt nach den Käsewürfeln und genossen ganz offensichtlich die säuerliche, cheddarartige Kompaktheit, während sie zurück zu ihren Nestern hüpften, um aus ihren Kröpfen ganze Ladungen langweiliger, kleiner Körner herauszuwürgen und dann wieder erwartungsvoll auf meinen Fenstersims zu einer frischen Ladung Käsewürfel zurückzuhopsen. Auf einmal kam Jasmine von hinten und gab mir einen Klaps aufs Ohr.
    »Hey, Mama, wofür soll denn das sein?«
    »Was glaubst du eigentlich, was du da tust, junger Mann? Diese armen Eichelhäher mit diesen ...

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