Shampoo Planet
ihr Vater solle einfach einen Teil seines Vermögens mit ihr teilen, bevor er sie dazu treibt, sich selbst als KittyWhip-Schneeballsystem-Vertreterin zu erniedrigen, aber mein Enthusiasmus versiegt. Wir wissen alle, daß Großvater an grimmigen Individualismus glaubt: keine kostenlosen Mittagessen, bla bla bla. Er ist wahrscheinlich bloß boshaft und außerdem ist heute Marks Geburtstag, und wir wollen alle guter Laune sein.
»Halt mal«, sagt Daisy, »ich will nur kurz rausspringen und Soja-Milch kaufen.«
16
Oje, oje.
Es war eine geschäftige Woche hier in Lancaster. Jasmine bekam einen Haarschnitt verpaßt und Großmama und Großvater gingen pleite.
Ich habe das Comfortmobile beschlagnahmt und bin auf dem Weg nach Norden zur kanadischen Grenze, während ich Nachrichtenhäppchen für meine getreue, verbrechensbekämpfende Begleiterin Anna-Louise herauspicke, die gebückt neben mir sitzt und mit der SEEK-Taste völlig abgefahren die UKW-Skala nach Hiphop-Sendern von der Küste absucht, deren Empfangsqualität stark schwankt.
»Rotgefärbt und megakurz«, sage ich, »wie über den Scheitel gebreitete Seesternarme. Sie sieht so extrem aus, als wollte sie damit ein politisches Statement abgeben.«
»Rotkäppchen-Schnitt. Retro-Look.«
»Sie behauptet, kurzes rotes Haar gibt ihr das Gefühl von Glitter-Rock. Bisexuell. Es sieht auch gut aus. Macht sie sogar noch jünger - wie ein Starlet in Cannes.«
»Also lohnt sich das Linsenessen doch.«
»Ich nehme es an. Oh, und sie benutzt jetzt auch Make-up. Daisy ist stocksauer, weil Jasmine plötzlich ausgiebige Anleihen im Kosmetik-Museum macht. Daisy jammert, weil Jasmines Haut nicht von demselben Farbtyp ist.«
Untätige Vulkane, die mit heißer, zäher Lava drohen, stehen im Westen Wache, während die Feuchtigkeit in der Luft unsere Haut entspannt. Die Wälder auf beiden Seiten der Straße sind für uns Prärievolk ein völlig ungewohnter Anblick; dem Anschein nach sind sie voller in Vergessenheit geratener Geheimnisse, wie ein Ort, an dem wir vor langer Zeit einmal gelebt haben, bevor unsere Erinnerung wahrhaftig begann.
»Da wir gerade von Haarschnitten sprechen, hast du auch nicht vergessen, die Schere mitzunehmen?« frage ich.
»Hier drin habe ich sie.« Anna-Louise tätschelt ihre Gurttasche aus Nylon und fährt dann klappernd durch den Kasten mit den CDs, weil sie vom UKW-Sender genug hat. Sie wird an mir einen superirre neuen Haarschnitt ausprobieren, wenn wir im Aloha-Motel oben in Kanada angekommen sind.
Um auf Großmamas und Großvaters Pleite zurückzukommen: sie läuteten Dienstagabend an der Haustür, Großmama in Tränen aufgelöst, Großvater aschfahl.
»Paps... Mama. Setzt euch«, sagte Jasmine. »Ich wärme euch einen Teller Linsensud auf. Hülsenfrüchte beruhigen.«
»Bohnen? Ich weiß nicht recht, Kleines«, entgegnete Großvater.
»Wie kannst du bloß in einem solchen Augenblick an deine Blähungen denken?« kreischte Großmama.
Großvater, dem bereits der schauerliche, katzenpipihafte Geruch von Zitronenmelisse in die Nase stieg, scheute das Nahrungsangebot. »Vielleicht später, Jaz. Mir war' jetzt eher nach ' nem Scotch.«
Es stellte sich heraus, daß sie ihre gesamten Ersparnisse verloren hatten sowie (einfach zu dumm) ihre Stammaktien am jetzt zusammengebrochenen Roger W. Friedman Cashex 2000 Fonds von Arlington, Virginia.
»Oh, Großvater. Doch nicht deine Stammaktien«, stöhnte ich.
»Dritte Hypothek«, informierte Großmama flüchtig den Fußboden.
»Roger«, fauchte Großvater, »lebt in Brunei mit einem Harem Dreizehnjähriger. Ich komme an den Bastard nicht mal ran.«
»Irgendwie bedauerlich, findest du nicht?« fragt Anna-Louise, als die ersten Schilder auftauchen, die besagen, daß die kanadische Grenze nur noch ein halbes Lied entfernt ist.
»Nicht besonders. Geschieht den beiden knickerigen Wieseln mit ihrer gewesenen Beute ganz recht. Stell dir vor: deine eigene Tochter Katzenfutterautomaten verkaufen zu lassen, während du in der Executive Class nach Peking zockelst. Vielleicht werden sie jetzt ganz nette Leute. Und es würde mir nicht gerade weh tun, mitansehen zu müssen, wie sie wirklich KittyWhip verkaufen.« Unbedarfte Jugend. Aber überleg mal: Großmama und Großvater besitzen und verwalten alles - zuviel Geld und zuviel Freizeit. Junge Leute sind zum Scheitern verurteilt.
Doch an dieser Stelle möchte ich einen Vorfall erwähnen, der sich an dem Abend, als die Großeltern zu uns kamen, am
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