Shampoo Planet
wenig, na ja, gepolsterter aus, als in weniger bekleidetem Zustand, denn sie trug einen üppigen schwarzen mit Brokat und Perlen besetzten Minirock aus Samt, dazu auftoupiertes Haar, das Gesicht geschminkt, die Augen hinter dunklen Brillengläsern, ihre Hände in schwarze Spitze gehüllt und die Beine wurstähnlich in schwarze Nylonstrümpfe mit kompliziertem Blumenmuster aus einem südkoreanischen Textilcomputer gepreßt.
»Vielleicht solltest du eher Röllchen an deinen Schuhen haben, anstelle von Füßen«, witzelte ich.
»Quoi?« Wenn Stephanie in Gedanken nicht bei mir war, verfiel sie ins Französische.
»Kleine Räder.«
»Ich verstehe nicht. Du bist ein richtiger Doofie. Bitte halt jetzt den Mund.«
»Na, dann nicht.«
Stephanie (niemals »Steph«) entsprach ganz der egoistisch/ autistischen Mode, war ängstlich darauf bedacht, ihrer Dragonergroßmutter in Fontainebleau ein neues Auto aus den Rippen zu leiern; ein Vorhaben, das für den heutigen Tag geplant war, nachdem sie mich am Flughafen abgeliefert hatte. Meine Abreise war eine beträchtliche Anzahl von Sprossen auf der Bedeutungsskala ihrer Welt gesunken. Viel dringender war ein Austin Mini Cooper mit CD-Player.
Ich griff nach der kleinen Blechdose mit den Veilchen-Bonbons, nach denen Stephanie süchtig war, und sie schlug mir auf die Finger, um dann wieder mit zusammengepreßten Lippen in Abwesenheit zu versinken und eingehend die Arbeiterunterkünfte aus grauem Zement zu betrachten, an denen wir gerade vorbeifuhren. Ich mußte daran denken, daß Stephanie, wäre sie ein Raum, eine Suite des Hotel George V. verkörpern würde, voller Blattgold, Verzierungen, Seidenpuffs und Kristallüster - wie so viele Schönheiten Europas, ein Produkt aus unbeugsamen Regeln und brutaler Disziplin. Ich dachte, daß Anna-Louise, wäre sie ein Raum, ein Glashaus auf der Olympischen Halbinsel mit Blick über den Pazifischen Ozean sein würde, die Decke so hoch, daß sie gar nicht zu sehen wäre.
Ja, Anna-Louise. Ich wollte nach Hause fahren, und ich tat's nicht.
Es gab nicht gerade eine Explosion von Emotionen, als wir an der Abschiedsschranke des Orly-Flughafens ankamen und Stephanie mich gar nicht schnell genug loswerden konnte, um noch im selben Taxi ihre Fahrt zu Großmama fortzusetzen. Inmitten von Dieselwolken, Dauerhupen und auflodernden Gefühlsausbrüchen an der Schranke vernahm ich eine Flut von Beschimpfungen, während der rohe Taxifahrer meinen Rucksack schmählich auf den Zement schleuderte und dabei Ciarice in Türkisch anbellte, die auf dem Rücksitz wie eine Autosirene losheulte. Stephanie wippte ungeduldig mit dem Fuß und wartete darauf, daß ich endlich im Terminal verschwand. Ich packte sie an den Oberarmen, nahm ihr die Sonnenbrille ab, in dem dringenden Bedürfnis, eine menschliche Verbindung herzustellen.
»Oh, Tyler. Es sieht so aus, als wolltest du jetzt einen echten und ernsthaften Abschied durchführen.«
»Ja, das würde ich tatsächlich gern.«
Feldmarschallsgetreu küßte sie mich flüchtig auf beide Wangen. »Du bist so weltraumzeitaltersmäßig.«
»Eher New Age. Meine Mutter ist ein Hippie.«
»Ja. Ich mag dich Tyler. Du bist ein netter Junge.«
Nett?
»Nett?« Ich schnürte meinen Rucksack fest. »Ist das der einzige Grund, warum du mich magst. Weil ich nett bin?« »Es gibt noch andere Gründe. Ja.« »Beispielsweise?«
»Dies hier ist nicht der Ort, um über solche Dinge zu sprechen. Dies ist ein Flughafen.«
Ich brauchte in dem Moment etwas Persönliches - etwas, das ich mit mir nehmen konnte, abgesehen von dem zusammengefalteten französischen James-Dean-Filmplakat in meinem Rucksack. »Nenn mir nur noch eine Sache, die du an mir magst, Stephanie. Nur noch eine Sache, und ich verspreche dir, dann lasse ich dich gehen.«
Sie wirkte irritiert und verlagerte ihr Gewicht von einem Fuß auf den anderen. Der Taxifahrer beschimpfte immer noch Ciarice. »Okay. Ich mag dich, weil du dir die Zähne putzt und Grapefruitsaft trinkst, bevor wir ausgehen und Wein trinken. Ich mag dich, weil ich, wenn ich dich mir als kleinen Jungen vorstelle, dich über weite Felder spazieren sehe, und in der Erde, über die du gehst, keine Skölette verscharrt liegen.«
»Die reinste Poesie!«
Sie lächelte, drehte sich um und hopste ins Taxi. Drinnen nahm sie Ciarice in den Arm, öffnete das Fenster und hielt ihren Kopf hinaus, genau wie beim allersten Mal, als ich sie sah. »Ich mag dich, weil du nie zuvor verliebt warst. Und wenn du
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