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Shampoo Planet

Shampoo Planet

Titel: Shampoo Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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vermutlich Stephanies vorsätzlich unterernährtes Gerüst übergehen, Anna-Louise dafür sofort in den Topf werfen. Anna-Louise backt mir gelegentlich einen Kuchen; Stephanie läßt mich bis zu einer Stunde in unserem Cafe L'Express warten und lacht über meine miese Laune und Abgeschlafftheit, wenn sie endlich hereinstolziert mit den Worten: »Frauen sind wie ein Restaurant, Tyler, mit schrrecklischer Bedienung. Frauen lassen dich warten und warten und warten und warten, und gerade wenn du denkst, du mußt jetzt schreien und aus dem Restaurant stürmen, wird plötzlich ein merveilleux Gericht aufgetragen, phantastischer als alles, was du dir je erhofft hast.«
    Eines frühen Morgens fuhren Stephanie und ich wieder einmal nach einem Cocktailgrauen mit der ersten Metro des Tages zurück und stiegen an der ihrem Apartment nächstgelegenen Station aus, die kurioserweise Jasmin (sprich: Schasmö) heißt. Danach erklommen wir auf dem Nachhauseweg einen steilen Hügel unter dem buttergelben Licht der Morgendämmerung, als wir einem anderen, uns ähnlichen, jungen Paar begegneten; er trug eine Bomberjacke und Chinos, sie ein schlichtes blaues Kleid und Goldschmuck.
    »Wenn du ihnen zuwinkst«, sagte Stephanie, »und sie winken zurück, sind sie verliebt ... denn dann können sie großzü gisch mit ihrer Liebe sein.«
    »Und wenn sie nicht zurückwinken?« fragte ich.
    »Dann sind sie nicht sehr großzügisch, und ihr Leben wird voller Leid sein.«
    Ich winkte hinüber und mußte lachen, als das Paar zurücklächelte und sich verbeugte. Aber wenn ich mir jetzt den Moment wieder vor Augen halte, kann ich mich einfach nicht daran erinnern, daß Stephanie einmal gewunken hat. Hmmm. Diese Französinnen. Sie sind so gerissen. So raffiniert. Einmal fragte ich Stephanie, ob sie sich beleidigt gefühlt habe, als ich damals in der ersten Nacht an der Porte Dauphine als völlig Fremder an sie herangetreten war und sie geküßt hatte.
    »Aber nein«, erwiderte sie. »Warum sollte ich? Wir sind Tiere. Unser erster Instinkt, wenn wir etwas Schönes sehen, ist, es zu fressen.«
    Mannomann.
     
    Es soll hier nicht der irreführende Eindruck entstehen, daß alles rosarot war. Wir stritten uns oft, und es waren nicht nur kleinere Zankereien um die Walkman-Kopfhörer auf langen Metrofahrten (ein Kopfhörer für jeden wurde zum Gesetz, wenn wir so Schulter an Schulter dasaßen und die Lautstärke auf Pegel elf der Skala hochgedreht hatten).
    Wie so viele Europäer, die ich kennenlernte, genoß es Stephanie, um des Streites willen zu streiten. Ständig stachelte sie mich an, trieb mich dazu, zu antworten, und beschuldigte mich, ähnlich wie Dan, langweilig zu sein, wenn ich nicht auf ihre Platitüden über Politik, Finanzen und Religion reagierte. Präventive Langeweile wurde wieder zur Regel. Ich habe den Verdacht, daß meine unterlassenen Erwiderungen der Hauptgrund dafür waren, daß sie sich dazu herabließ, soviel Zeit mit mir zu verbringen - ich kann mir vorstellen, daß ich eine radikale Abwechslung zu ihren französischen Freunden darstellte.
    Ich wußte zwar nicht, welcher Art die Wechselwirkung zwischen Stephanie und ihres gleichen französischen Ursprungs war. Kiwi und ich wurden sorgfältig von ihren und Moniques Freunden ferngehalten. Und uns war das nicht unlieb. Wir hatten die Schnauze voll von Euro-Teenagern ohne rechten Ehrgeiz. Alle, mit denen ich sprach, wollten Beamte werden. Völlig abgeschlafft.
    »Was saugt den Kids hier den Mumm aus den Knochen, Stephanie?« fragte ich sie einmal auf dem Dach des Centre Pompidou. Sie wechselte das Thema.
     
    Meine Zeit mit Stephanie war eigentlich keine Geschichte. Ich wechselte niemals von Punkt A zu Punkt B oder irgendwo anders hin. Eher bot Stephanie die Verheißung zukünftiger Vergnügungen. Sie war ein bezauberndes, völlig fremdes, unerreichbares Ziel, so wie wenn man tief unten in der Metro die Lichter der nächsten Station durch den dunklen, elektrisch beleuchteten Tunnel sieht. Ich schweife ab.
    Ich erinnere mich an einen Vorfall im August, der mir merkwürdig vorkam. In Paris war über die Ferienzeit alles geschlossen, also zogen Kiwi und ich los, um ein Einkaufszentrum in einem Vorort zu erkunden, von dem wir gehört hatten. Versailles? Es stellte sich heraus, daß das Zentrum auch geschlossen war (wie primitiv!), und auf der Rückfahrt nach Paris überkam mich ein Gefühl des Entwurzeltseins - ein überwältigendes Gefühl von Entbundenheit, wie ich es bereits auf der

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