Shampoo Planet
Fahrt von Dänemark nach Paris verspürt hatte. Ich sagte zu Kiwi, ich fühle mich obdachlos wie eine Schnecke ohne Gehäuse. Keine fünf Minuten später trafen wir uns mit Stephanie und Monique in einem Restaurant, in dem beide ein Blech mit heißen, knoblauchgewürzten Schnecken verschlangen.
Von dort aus unternahmen wir dann einen Schaufensterbummel - lacher vitrines, Schaufenster lecken -, machten am linken Seineufer Jagd auf Nippes aus Blech und Totenschädelaufkleber aus Plastik, erkundeten in einem der unzähligen Cafes bei einem Scheißgetränk die AirBus-Preise und wünschten uns, wir hätten Vespa-Mopeds und die damit verbundene Freiheit. Während wir in dem Cafe saßen, humpelte ein alter Hund mit drei Beinen an uns vorüber, der von einem grauhaarigen Popeye an einer Leine herumgeführt wurde. Am vierten Bein des Hundes, am rechten hinteren Stumpf, war eine behufte Prothese festgeschnallt - die Fessel eines Pferdes. Es war ein echter Moment zwischen den Arten. Anstatt uns davon deprimieren zu lassen, lachten wir.
Monique kam mir nur selten zu Bewußtsein. Sie war wie eine Friseuse, die dir in einer Stadt, in der du nur auf der Durchfahrt bist, das Haar schneidet, und die in freundlicher, aber flüchtiger Weise über dein Spiegelbild, in diesem Fall Stephanie, zu dir spricht.
Mein Mangel an Aufmerksamkeit gegenüber Monique überrascht mich, denn sie ist eine sexstrotzende Natur. Es machte Spaß, mit ihr zusammenzusein, weil von ihr ständig eine Vibration von Hormonen und Sünde ausging, ähnlich wie von pubertierenden Mädchen in einem Stall oder Jungs in einem Baumhaus. Monique kam aus Kaufhäusern in den knappsten Kleidern wieder zum Vorschein und schaffte es doch, aus deren Falten mehrere sowjetische Güterwagen voller geklauter Waren hervorzuzaubern. Monique tändelte mit Kellnern und Gendarmen und brachte Bankangestellte dazu, nervös an ihren Krawatten herumzufingern. Kiwi erlitt einmal fast einen Ohnmachtsanfall aus Wollust, als er Monique so nebenbei fragte, was sie da von ihrem New-York-Andenken-Schal klopfen würde und sie ihm erwiderte: »Brösel aus dem Antibabypillenautomaten.«
Der Sommer verging viel zu schnell. Aber trotz der rasendschnell verstreichenden Zeit wurden Lancaster und meine Familie irgendwie zu abstrakten Gespenstern, abgelegten Häuten, die ich mir nur mit Mühe im Geist vergegenwärtigen konnte. Bereits seit zwei Monaten gab es keinen Briefwechsel und keine Telefongespräche mehr. Jasmine, Daisy oder Anna-Louise hätten mich auch gar nicht erreichen können, selbst wenn sie es gewollt hätten. Und wie ein Flegel hatte ich sie auch nur über mein Rückkehrdatum unterrichtet, indem ich sie mitten am Tag, Lancaster-Ortszeit, anrief, wenn die größte Wahrscheinlichkeit bestand, auf den Anrufbeantworter (Spitzname: Cindy) zu stoßen, was dann auch geschah.
Kiwi und ich brachten das Stadium der Wegwerf-Freundschaft gut hinter uns, aber die letzte Woche in Paris verging für uns alle vier wie im Fluge, während unser Verhältnis zueinander immer weiter abkühlte, da wir versuchten, die Qual der unmittelbar bevorstehenden Trennung herunterzuspielen. Unser gemeinsames Miteinander fand eher in der Öffentlichkeit als im Privaten statt, auf neutralem Territorium.
Eines Abends nach dem Essen lud ich Stephanie und Monique in trunkenem Zustand ein, mich in den Staaten zu besuchen, ein Vorschlag, der beide veranlaßte, eine spöttisch-entgeisterte Miene aufzusetzen, gerade so, als hätte ich sie dazu eingeladen, Leichenteile in einem Verlies abzunagen. Einige Zeit später, während Stephanie und Monique miteinander tanzten (typisch Europa), teilte mir ein betrunkener Kiwi mit: »Du solltest vorsichtig sein, Euros einzuladen, dich zu besuchen, Kumpel. Denn sie werden kommen. Und sie werden ewig dableiben, mit Anspruch auf königliche Versorgung, ohne auch nur einen Pfennig für Lebensmittel beizusteuern, wart's nur ab.«
»Kiwi, halt die Schnauze, du bist doch völlig paranoid.«
»Schreib mir bloß 'ne Postkarte, wenn sie dir auf der Pelle kleben. Ich werde darauf warten.«
»Kiwi, weshalb sollte irgend jemand den Wunsch verspüren, Lancaster zu besuchen? Komm zu dir.«
Am nächsten Tag begaben Kiwi und ich uns zum Orly-Flughafen, jeder für sich, er sechs Stunden vor mir. Als Stephanie und ich im Taxi dorthinsausten, war Kiwi bereits irgendwo über dem Indischen Ozean.
Stephanie neben mir, den bissigen Schoßhund ihrer Mutter namens Ciarice tätschelnd, sah ein
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