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Shampoo Planet

Shampoo Planet

Titel: Shampoo Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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helfen, Tyler. Ich habe jetzt gute Noten und kann dir den Stoff einpauken - ich habe Zeit dazu.«
    Anna-Louise erstellt einen Aktionsplan für mich, der mich schon beim Zuhören erschöpft. Nach einigen lustlosen Minuten nehme ich ihr Angebot an, wenn auch nur, um weitere ausgefeilte Details über ein höllisches Studienprogramm, alptraumhafte Vorlesungsdienstpläne und eintönige Kolloquien abzuwürgen - vernünftige Vorschläge, vernünftig vorgetragen über einem vernünftigen Blaubeerkuchen.
    Aber schließlich gelang es mir doch, ihren Argwohn zu zerstreuen. Anna-Louise wird mein ganzes merkwürdiges Benehmen ausschließlich auf eine Ausbildungskrise zurückführen, im Gegensatz zu einer Herzenskrise - falls das mein tatsächliches Problem sein sollte.
    Gott noch mal. Ich fühle mich wie ein Schurke, wie ein echter Arsch. Es ist mir völlig bewußt, daß ich am liebsten nur mit Socken bekleidet quer über Stephanies weichen weißen Beinen liegen und mich mit kleinen grünen Weintrauben füttern lassen würde, wie ein Karpfen, der sich in seinem Teich aus der Hand einer Geisha füttern läßt, während Stephanie mir dazu den Bauch krault und völlig falsch Rock V Roll Songs mitten ins Gesicht singt. Ich bin ein echtes Schwein.
    »Wohin bist du denn nun gegangen, wenn du dich nicht mit dem Studium von Hotel/Motel-Management herumgeschlagen hast?« fragt Anna-Louise.
    »Über die Felder«, erwidere ich. »Zum Giftmülldepot. Über das Ödland hinter den Anlagen. Bin durch die verlassenen Obstgärten gejoggt. Ich muß einfach wieder einen klaren Kopf bekommen, meine Gedanken sammeln.«
     
    »Morgen beginnen wir mit dem Tutorium«, sagt Anna-Louise, als sie mich zur Dekompressionskammer begleitet, und wischt ihre fettigen Hände an einem Geschirrhandtuch ab.
    »An einem Samstag?« frage ich. Schuldig. »Okay. Gut.«
    »Ich bin mit meiner Morgenschicht im Eightplex kurz vor vier fertig. Danach muß ich ins Einkaufszentrum. Können wir uns dort treffen?«
    »Klar.
    »Sankt Yuppie. Um vier Uhr also.« Wir küssen uns. Ihre Hände sind immer noch von häuslichen Substanzen verklebt und verhindern Intimität.
     
    Auf dem Nachhauseweg fahre ich an Dans bald zu räumendem Apartment vorbei. Warum werde ich zu diesem menschlichen Wesen, das ich bin? Ich war doch nicht so, bevor ich Europa besuchte. Werde ich etwa so wie Dan? Wie er? Entsetzlich. Habe ich denn kein Wörtchen mitzureden?
    Ich spüre, daß ich vergesse, wie ich fühlte, als ich jünger war. Ich muß mir wieder ins Gedächtnis rufen, daß das Vergessen von etwas aus deiner Vergangenheit nicht genau dasselbe ist wie das Verwerfen desselben.
    Die Nacht ist kalt, und die Sterne blinken, und ich überlege, was unsere Welt vor dem Weltraum schützt. Ich frage mich, was uns erlaubt, unsere Luft zu behalten, was unseren Sauerstoff, unseren Stickstoff und unser Argon davor bewahrt, für immer in den Himmel hinauszuströmen. Unsere Welt wirkt so klein - so kalt vor dem Hintergrund des Allumfassenden. Ich blicke auf die kahlen Bäume und spüre, wie meine Fähigkeit schwindet, mir wärmere Orte und tropisches Klima vorzustellen. Vielleicht liegt unter der kalten Felskruste eine andere Welt verborgen, eine, in der rosa Blumen verrotten und stinken und Duft verströmen, alles auf einmal - eine Welt, in der die Hitze so stark und durchdringend ist, daß die Zyklen von Leben und Tod durcheinandergeraten und sich überschneiden, und Früchte und Blätter und Kadaver in solcher Geschwindigkeit den Boden bedecken, daß der Erdboden sich überhaupt nicht festigen kann, sondern eine träge Elastizität besitzt, ähnlich dem Muskel eines schlafenden Athleten.
    Und wieder einmal bewegt sich meine Welt viel zu schnell. Ich denke an die Tatsache, daß meine Geldreserven bald aufgebraucht sein werden, und lasse den Motor meines Wagens in den Außenbezirken Lancasters aufheulen, aber mein Lärm ist keine Konkurrenz für die Kälte, die Gleichgültigkeit des dunklen Himmels und die eisigen, weit entfernten Sterne.
    Als ich wieder nach Hause komme, gehe ich durch die Vordertür hinein, aber die Temperatur im Innern des Hauses ist niedrig. Jasmine ist zu ihrer Frauengruppe gegangen, Daisy zu Mei-Lin, um ihre Surf-Problem-Musik-Popzeitschrift »Goo« zu tauschen; Mark liegt in einem Schlafsack vor dem Fernseher, wo in einem Dokumentarfilm gerade über Wissenschaftler berichtet wird, die einen neuen Planeten entdeckt haben. Die Stimme des Sprechers sagt, das Universum sei unerbittlich und

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