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Shampoo Planet

Shampoo Planet

Titel: Shampoo Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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kalt, und ich will das nicht glauben.
    Die Fliegengittertür schlägt hinter mir zu, und ich stehe im Garten und spüre, wie durcheinander ich langsam bin, wie sich meine Augen verschleiern, und ich hüpfe auf und ab, mache kleine Babysprünge, ziehe meine Basketballjacke fester um mich und versuche, die Angst abzuschütteln.
    Mir fällt Jasmines Kompostkasten bei den Himbeerranken ins Auge - ihre Vorrichtung zur Gewinnung von Humus - mit den gärenden, klebrigen Schichten verrottender Blumensträuße, Speiseresten und Kittykats erlegten Vögeln, die sie uns immer zum Geschenk macht. Ich gehe hinüber und knie vor dem Komposthaufen nieder, wische die oberste Schicht gemähten Grases, das letzte der Saison, fort und stecke seufzend meine Hand tief in die heiße, lebende und atmende breiige Masse - tief hinein bis zum Ellbogen, wobei meine Jacke völlig durchweicht -, alles, um die Hitze zu spüren, die aus unserem Planeten heraus entsteht - aus unserer Erde.
     

27
     
    Die Vögel tragen heute kleine Perücken.
    Die Krähen nippen an Cocktails, und ich sah, wie heute morgen Scheunen-Schwalben hintereinander die Uranium Avenue hinunterjagten, als ich an Tub's Zeitungsstand mein »Wall Street Journal« holte. Ein Gezwitscher und Gekreische - man konnte meinen, der Frühling sei angebrochen!
    Etwas liegt in der Luft.
    Jasmines neue, haarschnittsbedingte Selbstwertgefühlsaufbesserung und Lebensfreude erfährt einen momentanen Tiefpunkt.
    »Auf, auf! Hoch mit dir, Jasmine! Du hast 'ne heiße Verabredung. Brunch ahoi! Unbegrenzte Mengen an Rührei! Los, auf! Ich habe nicht die Energie, dich wie einen faulen Hund im Haus herumzujagen.«
    Jasmine läßt ein entmutigtes Gemecker unter ihren Leichentüchern aus paisleygemusterten Bettlaken hervor vernehmen, deren Enden mit einem Durcheinander aus halbgelesenen Büchern über Selbsthilfe beschwert sind. Ich öffne das Schlafzimmerfenster einen Spalt und lasse kalte, klare Luft hereinströmen sowie das Geraschel der Cottonwood-Blätter, die mit tänzerischen Drehungen von den Bäumen fallen und die Straße hinabgewirbelt werden, hinein ins Unbekannte.
    »Mach das Fenster zu, Tyler. Gott noch mal. Es ist kalt! Reich mir meine Brille herüber.« Unter den Laken hervor schiebt sich eine Hand und greift nach der Omabrille, die ich ihr hinhalte. Das Leichentuch beginnt zu sprechen: »Wart's nur ab junger Mann. Ab dreißig wirst du dein Interesse daran verlieren, neue Leute kennenzulernen. Denk an meine Worte. Allein der Gedanke daran, mit einem neuen Menschen eine neue Geschichte zu beginnen, wird dir dermaßen anstrengend vorkommen, daß du einfach nur noch deine Ruhe haben willst. Du wirst zu faul, um neue Erinnerungen zu schaffen. Du wirst eher mit Leuten zusammen sein, die du nicht magst, einfach nur, weil du sie bereits kennst. Keine Überraschungen.«
    Jasmine streift ihre paisleygemusterten Leinenleichentücher etwas zur Seite und sieht mir zu, wie ich ein blaues Kleid aus ihrem Schrank nehme und ihr zuwerfe. »Hier. Zieh das an«, sage ich. »Du siehst gut darin aus, und dann« - ich schlurfe hinüber zu ihrer Frisierkommode - »nimm einen Tropfen hiervon.« Ich reiche ihr eine Flasche teuflisches Parfüm.
    »Aber ich wollte doch mein Inkakleid anziehen.« »Jasmine, das Inkakleid ist so vorher.« »Vorher?«
    »Wie bei diesen vorher-und-nachher Fotos.« Ich hebe das untere Ende ihrer Bettlaken hoch und lasse ein Paar Pumps an ihren Zehen baumeln. »Zieh diese hier an. Sie bringen deine Beine zur Geltung.«
    Jasmine schwingt ihre Füße vor und zurück wie Scheibenwischer. »Weiß Anna-Louise eigentlich von dir und Stephanie?«
    Sie hat es erahnt. »Gott bewahre.«
    »Anna-Louise ist ein kluges Mädchen, Tyler, und sie wird ziemlich bald dahinterkommen, was hier vor sich geht. Nicht daß die ganze Intrige nicht offensichtlich wäre. Aber das geht mich auch gar nichts an. Ich halte schon den Mund. Aber sei vorsichtig. Du führst da jemanden an der Nase herum, der dich sehr mag.«
    Jasmine spritzt Säuberungslösung auf ihre Omabrille und wischt sie mit einem Kleenex ab. »Ich werde dir einen winzigen Rat geben, Tyler - einen Rat, den ich mir damals auf der High School während der Beratungsseminare gewünscht hätte, zwischen all den Wirf-keinen-Trip-ein- und Kein-Alkohol-am-Steuer-Filmen. Ich wünschte, unsere Ratgeber hätten uns gesagt: ›Wenn du älter wirst, überkommt dich ein gräßliches, entsetzliches Gefühl. Es heißt Einsamkeit, und du denkst jetzt, du weißt,

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