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Shana, das Wolfsmädchen

Shana, das Wolfsmädchen

Titel: Shana, das Wolfsmädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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merkwürdige kleine Verzierung fehlte.
    »Das war meine Übungsgeige, als ich in deinem Alter war«, sagte Lela. »Und jetzt hör zu! Jeder Mensch hat seine eigene Art, an das Instrument und an die Musik heranzugehen. Richtig ist, was für den Einzelnen bequem und nützlich ist. Im Grunde kannst du den Bogen halten, wie du willst, du musst dich nur wohl dabei fühlen. Denn die Beherrschung der Geigentechnik findest du nur in der Verbindung zwischen Verstand und Muskeln und die sind bei jedem Menschen anders. Dazu kommt natürlich die Verbindung zwischen Intelligenz und Gefühl und dazu das angeborene Talent, deine Seele zum Ausdruck bringen. Du kannst dein Publikum nicht täuschen: Es hat ein feines Gefühl dafür, was echt ist und was nicht. So, und jetzt nimm die Geige und halte sie, wie du willst!«
    Ich ergriff die Geige, als sei sie aus Porzellan, und versuchte mir in Erinnerung zu rufen, wie Lela sie gehalten hatte. Sie sah gelassen zu, wie ich alle möglichen Arten ausprobierte. Schließlich fand ich heraus, dass ich die Geige gut mit dem Kopf und der Schulter stützen konnte. Lela nickte mir zu.
    »Es gibt keine Regel, wie man eine Geige zu halten hat. Ist es für dich bequem, ist das in Ordnung. Du hast lange Arme, das bedeutet, dass der Ellbogen links bleiben soll. Der Ellbogen bewegt sich ja ständig, verstehst du? Jetzt bist du noch verkrampft, das ist normal. Pass auf, die Hand darf nicht gegen das Instrument drücken. Wie hoch oder wie tief über dem Griffbrett deine Hand gehalten werden soll, hängt von dem Wuchs deiner Hand und deiner Finger ab. Sei schön locker, das ist besser. Ich werde dir zeigen, wie du die Finger zu bewegen hast. So, und jetzt probierenwir die Bogenhaltung. Du kannst den allerbesten Bogen haben, aber er nützt dir nichts, wenn deine Gelenke nicht elastisch sind. Der ganze Arm, von der Schulter bis in die Fingerspitzen, muss federn. Du siehst schon, alles kostet viel Mühe und soll mühelos aussehen!«
    Mühelos? Es war eine Strapaze! Nach einer halben Stunde fühlte ich mich wie nach drei Stunden Basketball. Alles tat mir weh. Als Lela mir die Geige aus der Hand nahm und in den Kasten legte, kam ich mir hilflos, linkisch und unfähig vor. Die totale Bruchlandung. Meine Handflächen schwitzten, ich rieb sie an meinen Jeans ab.
    »Ich kann gleich aufhören. Das schaffe ich nie!«
    »Ach, was hast du denn erwartet?« Lelas Augen funkelten ironisch. »Schon heute Johannes Brahms zu spielen? Das Konzert in D-Dur, zum Beispiel?« Ich wurde rot bis an die Haarwurzeln.
    »Ich … bin viel zu dumm!«
    »Du bist überhaupt nicht dumm. Du bist sogar hoch begabt. Und hör auf an deinen Nägeln rumzukauen. Jetzt wird gearbeitet.«
    Ich glaubte nicht richtig gehört zu haben. Dann, wie wenn ein Stein in stilles Wasser fällt und Wellenringe aussendet, rührte sich in mir eine wachsende Erregung, als ich zu begreifen begann, was ihre Worte bedeuteten.
    »Sie … Sie werden mich unterrichten?«
    »Aber sicher. Zu Beginn nur zweimal in der Woche. Dann sehen wir weiter.«
    Mein Herz schlug zum Zerspringen.
    »Was wird das kosten? Ich muss mir einen Job suchen und …«
    »Was nützt mir das, wenn du im Unterricht döst? Ich werde dich eine Zeit lang kostenlos unterrichten. Später reden wir wieder darüber.«
    Ich starrte sie an. Es war, als ob die Luft um mich herum in Bewegung geriet, als ob ich auf den Beinen schwankte. Ich flüsterte rau: »Warum tun Sie das?« Sie zog die Schultern hoch.
    »Vielleicht weil es mir Spaß macht. Und vielleicht auch weil ich etwas nicht erreichen konnte. Und es gerne miterleben würde, wie eine andere es erreicht.«

8. KAPITEL
    Was war nur los mit mir? Alles war gleich und doch völlig verändert. Lela war wie eine Fee in mein Leben getreten. Die ganze Welt war so intensiv, so lebhaft geworden. Alles wurde einfacher und doch empfand ich es viel tiefer. Musik machen, Geige spielen? Ja, das war mein allergrößter Wunsch! Bloß hatte ich es bisher nicht gemerkt. Als ich zum ersten Mal die Geige berührte, kam sie mir wie ein Lebewesen vor. Als ob das Holz ein kleines Tier war, das ich streichelte. Wie außerordentlich merkwürdig! Und wie schön. Ich hatte nicht gewusst, dass ich so sein konnte – so glücklich!
    Als ich nach Hause kam, stand noch in der Küche das Frühstücksgeschirr. Ich sah, dass es voller Ameisen war, und stellte es in die Spüle. Mir wurde fast schwindlig vor Hunger, aber der Kühlschrank war leer, nur Bier war vorhanden. Ich fand einen

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