Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Shana, das Wolfsmädchen

Shana, das Wolfsmädchen

Titel: Shana, das Wolfsmädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
Vom Netzwerk:
Schattens, der mir wohlgesinnt aber stärker war. Ich lief hinaus, mit klopfendem Puls. Das, was auch immer sich im Zimmer befand, nahm mir meine Flucht sicher nicht übel.
    Im Übungszimmer öffnete ich meinen Geigenkasten, stellte mich vor die Partitur und stimmte die Geige. Meine Hand zitterte, irgendetwas war total verkehrt. Schon bei den ersten Noten erkannte ich die Unmöglichkeit, mich auf das Spiel zu konzentrieren. Alles in mir war in Aufruhr. Außerdem war es so dunkel geworden, dass ich kaum die Noten erkannte. Ich ging zum Schalter, um Licht zu machen, als ich ein merkwürdiges Geräusch hörte: Es war, als ob Schrot gegen die Scheiben prasselte. Plötzlich zuckte ein Blitz auf, tauchte das Fenster in grelles Licht. Der Lärm des Donners krachte, ohrenbetäubend. Die ganze Welt war in weißes Flackern getaucht. Ein Eissturm! Lichter sprangen von Wolke zu Wolke, die Eisbrocken fegten mit ungeheurer Gewalt heran, schlugen Äste von den Bäumen, zertrümmerten Scheiben. In wenigen Minuten war der Boden gläsern weiß. Ich spähte angstvoll durch die Scheiben. Lela! Was, wenn sie bereits unterwegs war? Vielleicht konnte ich sie noch rechtzeitig warnen! Eisstürme zogen oft in breiten Wogen vorbei, verschonten eine Gegend, verwüsteten die nächste. Das Telefon war unten in der Diele. Ich rannte die Treppe hinunter. Neben dem altmodischen Wandapparat war ein Zettel angebracht, auf dem verschiedene Nummern standen. Ich fuhr mit dem Finger den Zettel entlang, fand die richtige Nummer. Mein Herz klopfte wild. Zitternd nahm ich den Hörer ab, tippte die Nummer. Bange Sekunden vergingen. Nichts, nur ein Signalton. Lela telefonierte gerade oder hatte das Handy ausgeschaltet. Draußen krachte und tobte der Sturm, Eisschauer prasselten an die Scheiben. Der Schweiß brach mir aus allen Poren. Ich wählte die nächste Nummer, hörte ein fernes Läuten. Endlich wurde abgenommen.
    »Ja?«, meldete sich eine alte Stimme.
    »Ist dort Mr Woodland?«, rief ich. »Josua Woodland?«
    »Ja, wer ist da?«, fragte unruhig die Stimme.
    »Ich bin Shana … Shana Reed! Mrs Woodland gibt mir Geigenunterricht.«
    »Ach, Shana!« Die Stimme tönte jetzt freundlicher, wenn auch besorgt. »Ja, Kind, ich weiß, wer du bist. Was ist los? Warum rufst du an?«
    »Ich … ich bin bei Lela, bei Mrs Woodland, meine ich, und warte auf sie. Aber sie sollte jetzt nicht fahren. Wir haben einen ganz fürchterlichen Eissturm!« Es folgte ein langes, atemloses Schweigen.
    »Hallo?«, rief ich. »Hallo? Sind sie noch da? Kann ich mit Lela sprechen?«
    »Sie ist fort«, keuchte der alte Mann. »Schon lange …« Es war, als ob alles in mir stockte. Atem, Blut, das Leben selbst.
    »Wie lange?«, flüsterte ich.
    »Eine Stunde oder so? Sie sah, dass Sturm aufkam.« Lelas Vater sprach atemlos und bestürzt. »Ich weiß es nicht genau,ich habe geschlafen. Sie müsste schon längst da sein …«
    Wahrscheinlich saß sie in einem Stau fest. Die Straßenverhältnisse mussten scheußlich sein.
    »Der Verkehr ist ein Chaos, ich sehe es vom Fenster aus«, sagte Josua Woodland. »Zum Glück hat sie ihr Handy …«
    »Das hat sie ausgeschaltet.«
    »Ausgeschaltet? Das kann nicht sein.«
    Panik erfüllte mich. Ich spürte,wie der alte Mann diese Panik allmählich teilte.
    »Da stimmt etwas nicht. Ich rufe die Polizei an. Sobald ich etwas erfahre, sage ich dir Bescheid.« Ich nickte fieberhaft, als ob er mich sehen konnte.
    »Ich warte neben dem Telefon.«
    »Und wenn sie inzwischen eintrifft …«
    »Ruft sie sofort an, das ist klar. Machen Sie sich keine Sorgen!«
    Ich legte den Hörer auf. Im selben Augenblick schoss ein Blitz wie eine weiße Stichflamme vom Himmel. Ein Donnerschlag krachte. Es war, als ob die Welt in Stücke flog. Schlagartig ging das Licht aus. Geblendet stand ich in völliger Dunkelheit und schon kam der nächste Blitz wie ein Schmerz in den Augen. Die Blitze kamen jetzt Schlag auf Schlag und jedes Mal krachte der Donner wie verrückt. In meinen Ohren sauste es. Ich bohrte mit den Fingern darin herum. Der taube Druck verging nicht. Einige Blitze sahen wie Schlangen aus, andere flackerten violett durch die Wolken. Das Gemeine war, dass ich nicht wusste, was draußen los war. Und warum rief Lelas Vater nicht an? Funktionierte das Telefon überhaupt noch? Zitternd nahm ich den Hörer ab. Kein Anschluss mehr – Stille. Der Blitz hatte die Leitung getroffen. Meine Haut prickelte. Ich lief ins Wohnzimmer, stellte den Fernseher an. Der Bildschirm

Weitere Kostenlose Bücher