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Shana, das Wolfsmädchen

Shana, das Wolfsmädchen

Titel: Shana, das Wolfsmädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Dann sagte er: »Das ist sicher gut für dich. Du bist doch wirklich begabt.«
    Der Winter kam. Die Luft lag scharf und kalt über Wäldern und Tälern. Der Sturm heulte durch den wirbelnden Schnee, die froststarren Sträucher schienen in der grimmigen Kälte zu beben. Am Wochenende arbeitete ich bei Martha. Da war der Supermarkt zu, sie hatte viele Kunden und war um jede Aushilfe froh. Ich klebte Preisschilder auf, räumte Cornflakes und Trockenmilchpackungen, Windeln und Küchenpapier ein, sortierte alle möglichen Werkzeuge. Ich war flink und kräftig, hatte viel zu schleppen, aber es machte mir nichts aus. Und ich kriegte Geld dafür. Ich steckte die Scheine in eine Blechdose unter meinem Bett. Mein Vater sollte sie nicht finden.
    In der Schule wurde es nicht ganz so schlimm, wie ich befürchtet hatte. Natürlich hielt der neue Lehrer, ein blasser Mann mit Bauch und rundem Kopf, den Vergleich mit Lela nicht stand. Er sah aus wie ein Ei und hieß tatsächlich auch so: Stanley Egger. Kaum stand er in der Klasse, ging das Gekicher los. Stanley Egger ertrug es mit Humor. Er war ein freundlicher Sonderling mit einem besonderen Sinn für Komik. Nach ein paar Tagen fanden wir ihn alle nett.
    Irgendwann riss an meiner Übungsgeige eine Saite. Da ich sie nicht ersetzen konnte – in Beaver Creek gab es keinen Musikladen –, gewöhnte ich mich sehr schnell daran, bloß noch Lelas Geige zu spielen. Wahrscheinlich entsprach meine Art zu üben nicht der üblichen Technik. Die Töne verschiedener Höhe und Dauer sah ich in Farben vor mir. Und jede Farbe kündigte eine andere Stimmung an. Voll tönende Klänge waren blau, Triller grün, das »Staccato« war gelb, das schlagartige »Martelé« rot.
    An einem sonnenklaren Morgen entsann ich mich, dass Lela gerne im Freien spielte. Es war nicht zu kalt, meine Finger würden nicht steif sein. Ich machte mich mit dem Geigenkasten auf den Weg, ging an ein paar Häusern vorbei und stapfte dem Wald entgegen. Überall lag tiefer, schweigender Schnee, durchkreuzt von tausend Spuren der Tiere. Die Stille und das reine Weiß hatten etwas Heiteres an sich. Sie verbanden die Seele mit allem Lebendigen und wehten blaues Licht in mein Herz. Am Waldrand blieb ich stehen. Kein Mensch weit und breit. Zwischen dunklen Steinen lag das verschneite Bachbett. Das Wasser floss mit leisem Glucksen unter der Eisdecke dahin und die Sonne leuchtete durch die Zedern.
    Welche Musik passte zu dieser Landschaft? Paganini, dachte ich. Das Capriccio, ja. Ich stimmte die Geige und spielte. Und in dem Augenblick, da mein Bogen über die Saiten strich, geschah das Wunder: Die Luft schien von einem Beben erfüllt, spürbar wie ein Flügelschlag. Umherschwebende Geister zogen mich in ihren Bann. Die Geige war der Vogelruf, die Stimme der Bäume der Erdengesang. Da war mir auf einmal, als ob sich etwas zwischen den Zedern bewegte. Ein grauer Schatten tauchte aus dem Unterholz. Mein Herz schlug schneller. Der hinkende Wolf – schon wieder! Warum empfand ich keine Furcht vor diesem einsamen, vielleicht ausgehungerten Tier? Ich dachte, ich müsste dem Wolf zu verstehen geben, dass ich nichts Böses im Sinn habe.
    Das war besonders wichtig, denn ich hielt einen Bogen in der Hand, den das Tier leicht als Stock oder Waffe deuten konnte. Und so suchte ich mit den Augen einen Baumstamm, stapfte vorsichtig auf ihn zu und setzte mich. So, jetzt waren wir auf gleicher Höhe! Der Wolf blickte mich an. Tiere haben eine Sprache wie wir. Die nach vorn gerichteten Ohren bedeuteten Aufmerksamkeit. Der Wolf lauschte und hatte keine Angst. Er trug den Schwanz hoch und wedelte ein wenig dabei, was Selbstsicherheit ausdrückte.
    Ängstliche Wölfe ziehen den Schwanz ein. Das Tier bewegte sich nicht steifbeinig – was Angriffslust zeigte –, knickte auch die Beine nicht demütig ein, sondern bewegte sich völlig locker. Tiere erkennen am bloßen Anblick, ob Menschen sie mögen oder nicht. An ihren Augen oder durch andere uns unbekannte Signale. Bei Hunden war das ähnlich. Indianer verstehen solche Dinge, weil sie in jedem Tier das »Wesen« erkennen und ansprechen.
    »Ich sehe schon, du magst Musik«, sagte ich.
    Eigentlich durfte man einen Wolf nicht ansprechen. Aber ich glaubte nicht, dass ich in sein Gehege eingedrungen war, sonst hätte er sofort Feindschaft gezeigt. Es war ein Wolf, der meine Nähe suchte. Warum bloß? Jetzt legte er den Kopf ein wenig schräg. So sahen wir uns eine Weile an. Ich zupfte mit den Fingern die

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