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Shana, das Wolfsmädchen

Shana, das Wolfsmädchen

Titel: Shana, das Wolfsmädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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ich mit dem Geigenkasten durch das Unterholz stapfte, schwebten feenhaft blaue Nebelschleier über die Schneemulden. Ein Zeichen dafür, dass die Temperatur stieg und der Winter bald vorbei sein würde. Mühelos fand ich die Lichtung, auch den Baumstamm. Ich setzte mich, öffnete den Kasten und stimmte die Geige. Ob die Wölfin wohl kommen würde? Ich legte die Geige an die Schulter und benutzte das Instrument als Trommel, indem ich mit den Fingern auf den Resonanzboden klopfte. Ich wollte verschiedene Fingersätze üben. Eine Bachsonate war gut, weil man dabei Wendigkeit braucht, aber viel Spielraum für eigene Gefühle hat. Ich spielte also, und wie stets, wenn ich den Bogen führte, verschwand die Welt um mich herum. Ich schattierte jeden Ton, passte ihn meiner Stimmung an, ließ mich von der Melodie tragen. Und als die Sonate mit einem letzten klaren Triller verklang und ich langsam den Bogen senkte, erblickte ich im Halbschatten die unbewegliche Gestalt der Wölfin. Schlank und aufrecht saß sie da wie gemalt, das ruhige Tiergesicht mir zugewandt. Das sinkende Sonnenlicht spiegelte sich in ihren Augen, die hell und durchsichtig leuchteten wie Kristall. Und als ob ihr Erscheinen etwas ganz Selbstverständliches sei, begann ich zu ihr zu sprechen.
    »Hast du wieder zugehört? Ich bin froh, dass du da bist. Die Geige, siehst du, ist die Stimme der Natur.
    Die raschelnden Blätter machen Musik. Und ebenso der Wind, der durch die Bäume streicht. Und im Frühling, wenn die Bäche unter der Eiskruste erwachen, dann ist es das Wasser, das singt. Ach ja, und noch etwas! Habe ich dir gesagt, dass diese Geige eine Schnitzerei trägt, die einen Wolfskopf zeigt? Ich weiß nicht, wer die Geige gemacht hat. Sie kommt aus Italien, wurde mir gesagt. Ich habe gehört, dass es in Italien auch Wölfe gibt. Aber ich bin Indianerin. Ich kenne ein Lied, das meine Mutter sang, als ich ein Kind war. Hör zu! Ich singe es dir vor und spiele dazu auf der Geige.
    Eines Tages erscheint
    Vor dir die Wölfin,
    Nimm sie zur Schwester,
    Denn die Wölfin kennt
    Den tiefen Wald
    Sie wird dich führen
    Über tausend Wege
    Zu einem Häuptlingssohn,
    Im fernen Land,
    Wo die Sterne vom Himmel fallen.«
    Die Wölfin hatte den Kopf auf die Pfoten gelehnt und starrte mich an. Nur die Fellkegel ihrer Ohren bewegten sich leicht. Plötzlich schlug sie mit dem Schwanz auf den Boden, ließ ein Winseln hören. Es war, als ob sie bettelte: »Noch mehr Musik!«
    Doch es wurde dunkel, die Nebel verdichteten sich. Der Wald verschwamm im milchigen Weiß. Ich wollte nichts mit dem kostbaren Instrument riskieren. Langsam, um das Tier nicht zu erschrecken, stand ich auf und klemmte den Geigenkasten unter den Arm.
    »Ich muss jetzt gehen. Ich bin ein Mensch, weißt du. Ich kann im Dunkeln nicht so gut sehen wie du. Aber ich komme wieder.«
    Sofort erhob sich die Wölfin: eine einzige, geschmeidige Muskelwoge. Ich dachte: Was nun? Wird sie mich gehen lassen? Doch sie kam nicht näher, sondern folgte mir lautlos, wobei sie, wie Wölfe das tun, mit den Zehen und nicht mit der ganzen Fläche der Pfote auftrat. Sie begleitete mich, als ob sie mich beschützen wollte. Ich sah im Dämmerlicht den Schimmer ihrer hellen Augen. Am Waldrand blieb sie stehen, als ob sie sagen wollte: »Weiter gehe ich nicht.« Ich wandte mich ihr zu.
    »Ich danke dir! Ja, es ist besser, du gehst jetzt zurück. Und … noch etwas: Du hast sicher einen Wolfsnamen, aber den werde ich nie wissen. Deshalb werde ich dich Lela nennen. Meine Lehrerin hieß so. Sie starb bei einem Unfall, vor ein paar Monaten. Und ich denke, dass du es gesehen hast. Sie wird nichts dagegen haben, dass ich dir ihren Namen gebe. Sie war Indianerin wie ich. Und trug das Zeichen der Wölfe auf dem Ledergewand, das jetzt mit ihr unter der Erde liegt.«

18. KAPITEL
    Ende Februar brachte mein Vater eine Neuigkeit aus der Dorfkneipe mit: Lelas Haus war verkauft worden.
    »Der neue Besitzer ist schon da. Er hat auch die Sägerei übernommen.«
    Die Sägerei beschäftigte über zwanzig Leute. Der Besitzer war alt und wollte sein Unternehmen loswerden.
    »Jemand von hier?«, fragte ich.
    »Nein. Aus Banff. Er heißt Jeff Morgan. Ein Weißer, natürlich.«
    Schmerz zog durch meine Brust hindurch, ein Schmerz, der nicht gleich wieder verging.
    »Hat er Kinder?«, fragte ich.
    »Zwei Söhne, wurde mir gesagt. Der ältere studiert in Banff. Der jüngste soll hier zur Schule gehen. Wird es nicht leicht haben, das Bleichgesicht. Ich

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