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Shana, das Wolfsmädchen

Shana, das Wolfsmädchen

Titel: Shana, das Wolfsmädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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den größeren Blättern angesammelt hatte. Ich verzehrte das bisschen Fleisch, das ich aufbewahrt hatte, und machte mich auf den Weg. An diesem Tag kam ich in ein sumpfiges Gebiet. Ein seltsamer grüner Schimmer erfüllte den Wald. Er kam von den Moosen, die wie ein Teppich die Felsen überwucherten. Hier lebten Frösche, ihr Gequake klang monoton und einschläfernd. Ich sah auch Schlangen, die sich auf einem Stein sonnten, oder wie ihre Ringe langsam durch die Büsche rollten. Einige Sorten waren giftig. Ich dachte, wenn ich nichts Böses im Sinn habe, werden sie mir auch nichts tun. Ich fand einen Tümpel, in dem das Wasser klar war, und trank aus der hohlen Hand. Das Wasser war voller Mückenlarven und schmeckte nach Erde und Wurzeln. In kurzer Entfernung von dem Tümpel fand ich zwei knollenartige Pflanzen, die mich stark an Zuckerrüben erinnerten. Ich schälte ein Stück Haut ab und probierte. Nicht übel, aber gekocht wären sie besser! Mir kam ein alter Indianertrick in den Sinn. Ich grub die Knollen in die Erde und entfachte ein Feuer darauf. Nach einer Weile stieß ich die Erde fort, holte mit einem Stock die heißen Knollen aus dem Boden. Da ich sie aufrecht eingegraben hatte, hatte sich am oberen Teil, beim Krautansatz, eine zuckerartige Flüssigkeit gebildet. Ich schälte sie mit dem Messer und hatte ein schmackhaftes Mittagessen! Doch wo Sümpfe sind, leben Mücken. Meine Kopfhaut war bereits voller Stiche. Ich streifte trotz der Hitze den Parka über, zog die Kapuze tief ins Gesicht und wanderte weiter. Zum Glück veränderte sich die Landschaft bald. Der Boden stieg an, wurde felsiger und dunkler, die Angriffe der Mücken ließen nach. Es wurde Abend und wieder plagte mich der Hunger. Ich dachte, ich muss wieder jagen. Aber hier schienen nur Vögel zu leben. Manchmal flogen sie tiefer, aber ich wollte das Messer nicht nach ihnen werfen. Es war fast unmöglich, einen Vogel zu treffen. Dazu kam die Gefahr, das Messer im Dickicht zu verlieren. So zog ich meinen Parka aus, bereit, ihn über einen hüpfenden Vogel zu werfen. Vögel fängt man, indem man still und geduldig im Unterholz wartet.
    Aber was, wenn kein Vogel sich blicken lässt? Woher sollte ein mit Hamburgern, Erdnussbutter und Cornflakes gefüttertes Indianermädchen die Tricks einer Jägerin kennen? Hätte ich bloß einen Kochtopf mitgenommen! Da hätte ich aus Blättern und Moosen eine Brühe kochen können. Aber ich hatte nur an meine Geige gedacht, nicht an einen Kochtopf.
    Es wurde dunkel, vor Hunger hatte ich Magenkrämpfe. Da – ein leises Rascheln im Gebüsch. Ich wandte mich um, das Messer einsatzbereit in der Hand. Doch schon roch ich den süßlichen Wolfsduft und erblickte Lela, die gemächlich näher trabte. Ich ließ das Messer zuschnappen und seufzte.
    »Tut mir Leid! Den Braten muss ich erst noch fangen.«
    Lela gab einen merkwürdigen Laut von sich, eine Art knurrendes Winseln. Sie trat ganz nahe an mich heran, krümmte den Rücken. Ihr Nacken bog sich und sie würgte einen kleinen Fleischberg aus sich heraus, vor mir auf den Boden. Ein paar Sekunden lang war ich zu verblüfft, um mich zu rühren. Was ging mit der Wölfin vor? Hatte sie etwas gefressen, das ihr nicht bekam? Doch plötzlich entsann ich mich, dass Wolfsmütter ihre Kleinen, sobald sie entwöhnt sind, mit vorgekautem und vorverdautem Fleisch füttern. Offenbar war ich für Lela eine Art Adoptivtochter. Gestern hatte ich das Fleisch mit ihr geteilt, da hatte die Wölfin sofort gefolgert: »Aha, meine Kleine trinkt keine Milch mehr, sie braucht Fleisch!«
    Von Ekel war nicht die Rede, aber ein bisschen Überwindung gehörte schon dazu. Und das zerkaute Fleisch musste gebraten werden. Aber zuerst wollte ich der Wölfin danken. Ich legte mich neben sie, kraulte ihr den Hals und den Kopf. Lela ließ ein zufriedenes Winseln hören. Ihr warmes Fell glättete sich voller Zuneigung. Dann setzte sie sich abseits und beobachtete, wie ich Holz sammelte und Feuer anzündete. Ich spießte die weichen Fleischstücke auf einen Stock und hielt sie über das Feuer, bis sie brutzelten. Das Fleisch schmeckte hervorragend, endlich wurde ich satt. Zum ersten Mal in all diesen Tagen war ich fähig an etwas anderes zu denken als an Essen. Ich wollte die Wölfin belohnen, ihr gleichzeitig zu verstehen geben, dass ich morgen wieder ein paar Fleischbrocken brauchte. Und ich wusste genau, wie ich ihr meine Dankbarkeit zeigen konnte. Ich löschte das Feuer, holte die Geige aus dem Kasten

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