Shanera (German Edition)
kein Eis, aber kalt genug ist es.“
„Das Eis ist weiter oben. Wir werden dort vorbeikommen. Soweit ich es in Erinnerung habe, sollten wir dort an dem Felsen vorbei in gerader Linie aufsteigen, um den Ausgang am anderen Ende zu erreichen.“
„Geht der Ausgang ins Freie?“
„Nein, wir haben gerade etwas über die Hälfte geschafft.“
„Bei den Göttern. Ich hasse diese Höhlen. Warum müssen wir hier durch?“
„Was soll das heißen? Willst Du Deine Freundin einholen oder nicht?“
„Ja, ja, schon gut. Gehen wir weiter.“
Koras schüttelte den Kopf und machte sich wieder auf den Weg. Zela trat lustlos nach einem Steinchen und folgte ihm.
Nachdem sie einige hundert Schritt über die Geröllebene aufgestiegen waren, sahen sie im Schein der Fackel ein Glitzern über sich. Undeutliche, spitze Formen waren zu erkennen und schienen sich im Feuer des Lichts zu bewegen. Noch ein paar Schritte weiter, und die halbe Höhlendecke rings um sie herum begann zu funkeln und zu blinken. Koras blieb stehen und zeigte nach oben.
„Siehst Du, da ist das Eis. Ist das nicht prachtvoll? Es ist bestimmt schon seit Ewigkeiten hier.“
Zela hatte Mühe, noch Begeisterung für Sehenswürdigkeiten aufzubringen. Sie wollte rasten, wusste aber, dass sie erst die eisigen Höhlen hinter sich bringen mussten.
„Ja, es ist schön.“, sagte sie müde. „Bitte gehen wir weiter, ich erfriere hier sonst noch.“
+
Shanera hatte beschlossen, bis zum nächsten Morgen in der Höhle zu bleiben. Es blieb zwar noch etwas Tageslicht, aber der immer noch heftige Regen machte ein Weitergehen momentan nicht empfehlenswert. Eventuelle Verfolger würden bei diesem Wetter auch nicht besser vorankommen.
Sie hatte sich ein zusätzliches Hemd übergezogen, beim Absuchen der Höhle in einer Ecke einen Vorrat an brennbarem Holz gefunden und ein kleines Feuer entzündet. Ein leichter Luftzug zog den Rauch in den hinteren Teil der Höhle. Dort schien es noch weiter zu gehen, sie hatte aber keine Spur von Tieren gefunden und den hinteren Bereich nicht weiter erforscht.
Bei einer Schale Tee und einem Stück Fleisch sah die Welt schon wieder wärmer und besser aus. Alles in allem hatte sie Glück gehabt. Wäre das Unwetter am Vormittag aufgezogen und hätte sie auf dem Kletterpfad erwischt, hätte es wesentlich schlimmer ausgehen können. Vielleicht war es auch ganz gut, dass ihre Spuren auf diese Weise verwischt worden waren. Immerhin hatte sie heute Morgen ja ein gutes Vorzeichen gesehen. Sie beschloss, den Tag insgesamt als Erfolg zu werten und verschlang zufrieden den Rest ihrer Mahlzeit.
Als sie fertig war, trat sie noch einmal an den Höhlenausgang, um ihr Geschirr auszuwaschen. Sie spähte im Dämmerlicht umher, soweit sie sehen konnte. Es war nirgendwo das Licht eines anderen Feuers oder sonst etwas Auffälliges zu sehen.
Zurück in der Höhle, packte sie ihre Sachen wieder zusammen, bis auf die Decke, die sie am Rand der Höhle hinter und etwas oberhalb des Feuers hinlegte. Sie steckte noch ein paar Holzstücke ins Feuer, dann wickelte sie sich vorsichtig in die Decke.
Mit geschlossenen Augen horchte sie aufmerksam auf die Umgebung: das Knacken des Feuers, das Prasseln des Regens. Ein leichter Rauchgeruch war in der Luft, aber der meiste Rauch zog ab. Sie sandte noch ein kurzes Gebet zu den Göttern, dann ergab sie sich ihrer Müdigkeit. Nach kurzer Zeit war sie eingeschlafen und das sanfte Geräusch ihres Atems gesellte sich zum Knistern und Rauschen des Hintergrunds.
+
Endlich hatte die Kälte ein wenig nachgelassen und die gefrorenen Stalaktiten der großen Eishöhle schienen nur noch ein seltsamer Traum zu sein. Zela schleppte sich hinter Koras her und hoffte nur noch, dass sie bald anhalten und ausruhen konnten. Sie hätte sich am liebsten in die nächste Ecke gelegt und wäre eingeschlafen, aber sie kannte die Gefahren der Kälte und Koras zog sie unnachgiebig voran. Sie war nie besonders ausdauernd gewesen. Der hauptsächlich im Tempel und über ihren Studien verbrachte letzte Sonnenzyklus hatte sie jedoch mehr Kraft gekostet, als sie gedacht hätte.
Heute hatte sie begonnen, ihre Ausbildung zu verwünschen. Das Leben an der Großen Wand war hart und gefährlich, und was nutzten ihr die ganzen Weisheiten der Schriftrollen des Tempels und die Kenntnisse aller Rituale, wenn sie im Ernstfall nicht selbst für sich sorgen konnte? Aber inzwischen war sie so müde, dass sie nur noch kleine Gedanken fassen konnte, wie zum Beispiel,
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