Shanera (German Edition)
damit ich in die Nähe der beiden komme?“
„Was?“, fragte Zela entgeistert.
„Abseilen?“, ertönte Kessy. „Du willst, dass ich Dich mitten in der Felswand absetze?“
„Mich auch, wenn überhaupt.“, meldete sich Koras kurzentschlossen.
„Wir haben eine Menge Erfahrung mit der Großen Wand.“, bekräftigte Shanera. „Anders als die beiden. Wir finden einen Weg durch den Fels und können sie mitnehmen. Und diese Viecher …“
„Mit denen werden wir schon fertig.“, unterstützte sie Koras, seine Bedenken hintanstellend.
„Das ist doch verrückt!“, wehrte Kessy ab. „Sie sind jetzt in der Höhle, vielleicht gibt es einen anderen Ausgang.“
Ein Kopf, der sich kurz in der Höhlenöffnung zeigte, und ein heftiger Kampf, als die beiden vordersten Kreaturen angriffen, belehrte sie eines besseren.
„Also gut. Wir treffen uns im Eingangsraum.“
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„Wir haben hier eine kleine Seilwinde für Ausrüstungsgegenstände.“, erklärte Kessy. „Das Schiff ist jetzt seitlich über der Höhle, dort wo die Überhänge vorbei sind. Ist das gut?“ Sie stand an der Innenwand des Vorraums, vor sich das Außenbild und diverse Kontrollen, mit denen sie offenbar steuern konnte. „Es ist verdammt eng hier für das Schiff, die Steuerung ist darauf nicht ausgelegt.“
Shanera schätzte die Entfernungen ab. Sie würden nahe am Wasserfall herauskommen und mussten ein paar Dutzend Schritt zur Seite und wohl ähnlich weit nach unten klettern, um den Höhleneingang zu erreichen. Näher kam man von oben nicht heran. „Ist gut!“
„In Ordnung. Ich öffne jetzt die Außentür, passt auf!“, warnte Kessy.
Ein dumpfes Rumpeln ertönte, und mit einem leichten Ruck öffnete sich das Portal, durch das sie bisher immer mit den Fluggeräten gekommen waren. Es verschwand mit einem sirrenden Geräusch, das sofort von einem donnernden Brausen abgelöst wurde. Feuchte und kalte Luft drückte herein.
Koras spähte vorsichtig über den Rand. Die Höhle war von oben in den zerklüfteten, glitzernden Felsen kaum auszumachen. Man sah aber die Wesen, die sich darum herum versammelt hatten. Von der Seite wehte feine Gischt des tosenden Wasserfalls herüber. Ein Grund der Schlucht war nicht zu erkennen, Nebel und Fels versanken in schwarzen Schatten.
Shanera hatte sich inzwischen das lose Seilende um den Arm geschlungen. „Wie funktioniert die Winde?“, rief sie Kessy zu. „Wir müssen uns beeilen!“
„Mit dem kleinen Gerät daneben kann man das Seil hoch- und runterlassen. Einfach auf die beiden Knöpfe drücken! Zela, kannst Du das machen, ich muss mich um das Schiff kümmern!“
„Äh … In Ordnung!“, rief Zela. Sie nahm den kleinen Kasten auf und drückte versuchsweise den oberen Knopf. Das Seil zog an und riss Shanera beinahe von den Füßen.
Zela verzog das Gesicht. „Entschuldigung!“
„Du kannst die Steuerung auch mitnehmen und hier auf das Bild schauen!“, ergänzte Kessy.
„Danke, aber mir ist ein echter Blick lieber.“, wehrte Zela ab. Sie lief mit dem Kästchen zum Außenportal und kauerte sich unmittelbar an dessen Rand, um in die Tiefe zu spähen. Mit der einen Hand klammerte sie sich an eine Halterung, in der anderen hatte sie die Steuerung. „Es kann los gehen!“
Shanera ging zum Tor und ließ sich rückwärts über die Schwelle hinab, während Zela das Seil abrollte.
Als Shanera, sich langsam drehend, aus dem Schiff nach unten sank, wurde ihr das Ausmaß des Abgrunds erst richtig bewusst. Über ihr hing die schwarze Silhouette des Schiffs wie schwerelos. Nach allem, was sie bisher gewusst hatte, war das eine Unmöglichkeit, und doch war es real.
Unter ihr öffnete sich der weite Schlund, in den sie hinabtauchte. Immer wieder hüllten sie feine Gischt und Wassernebel ein. Die tosenden Wassermassen übertönten alle anderen Geräusche.
Die Felswand näherte sich und sie versuchte, Fuß zu fassen, was durch die Drehung des Seils erschwert wurde. Als sie auf eine der pflanzenartigen Verästelungen trat, brach diese ab. Nach zwei weiteren unsanften Berührungen gelang es ihr endlich, sich festzuhalten.
„Das gibt blaue Flecken.“, murmelte sie und winkte hoch zu Zela, nachdem sie das Seil freigegeben hatte. Rasch verschwand es nach oben, während sie versuchte, den besten Weg auszumachen. Es waren keine von den Viechern in unmittelbarer Nähe, aber weiter unten begannen schon einige, sich zu rühren. Sie würde nicht lange Ruhe haben.
Vorsichtig kletterte sie ein Stück Richtung
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