Shanera (German Edition)
gerade noch stehen konnte, ohne die Hände zu Hilfe zu nehmen. Am Höhleneingang schien es schon wieder einen Kampf zu geben. Sie mussten sich beeilen.
Koras hatte das lose Ende des Seils ergriffen und näherte sich wieder. Er winkte nach oben und der Schatten des Schiffs bewegte sich ein wenig in ihre Richtung. Aus ein paar Schritten Entfernung warf er Shanera das Seil zu. Am Ende war ein Haken, den sie rasch an ihrem Gürtel festmachte.
Sie benetzte die Fingerspitzen mit Wasser, das sich in einer Felsspalte gesammelt hatte, und tupfte es sich auf den Hals. Einen Moment später fiel ihr ein, dass das möglicherweise eine sinnlose Geste war. Aber für philosophische Fragen war nun wirklich nicht die richtige Zeit.
Shanera stieg in den Überhang ein. Ein schräg verlaufender Riss bot guten Halt für das erste Stück. Mit den Fingerspitzen klammerte sie sich in den Riss und tastete sich seitwärts eingedreht Schritt für Schritt voran. Der Stein war griffig und es gab genug Unebenheiten, auf denen sie mit den Füßen Halt finden konnte. Trotzdem war die Kletterei anstrengend und sie musste die Route so schnell wie möglich durchqueren.
Einige Mannhöhen unter sich sah sie die Riesenkriecher, die inzwischen in großer Menge unter und neben dem Höhleneingang versammelt waren. Sie machten aber keine Anstalten, weiter nach oben zu kommen. Als der kleine Riss endete, der ihr Halt geboten hatte, war sie noch einige Schrittlängen vom Höhleneingang entfernt. Sie hängte sich an den rechten Arm und griff nach links zu einer kleinen Vertiefung. Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengrube löste sie sich schließlich auch mit der rechten Hand von der Spalte. Sie klebte an der Wand wie ein Insekt. „Nur dass die fliegen können und es eigentlich gar nicht nötig haben.“, murmelte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen und spreizte sich mit den Beinen ein.
So rasch wie möglich hangelte sie sich an Vertiefungen und Vorsprüngen entlang, während ihre Arme immer schwerer wurden. Einmal gelang es ihr nicht gleich, einen sicheren Griff zu finden, und sie spürte, wie ihr Puls raste und drohte, ihre Gedanken zu vernebeln.
Schließlich erreichte sie knapp über dem Höhleneingang wieder einen einigermaßen sicheren Standpunkt. Ein einziger Riesenkriecher war noch zwischen ihr und der Höhle. Sie zog ihr Messer und diesmal erwischte sie ihn an der Innenseite, als er gerade zugreifen wollte. Sie sah, wie er sich halb vom Stein löste, um auszuweichen und stach noch einmal nach, tief in das Fleisch an der Unterseite.
Mit einem schmatzenden Geräusch löste sich das Wesen vom Fels und stürzte, sich mehrmals überschlagend, in die Tiefe, wo es sich erst ein gutes Stück weiter unten wieder fing. Shanera steckte das Messer weg und versuchte, ihren Puls zu beruhigen.
„Hey!“, schrie sie dann, kaum den Wasserfall übertönend. „Rey und Noor! Seid Ihr da drin?“
„Bist Du das, Shanera?“, kam nach einer kurzen Pause die Antwort.
„Ja! Ich lasse Euch ein Seil runter. Schlingt es um Euch beide und haltet Euch gut fest! Wir ziehen Euch raus!“ Sie löste den Haken und führte das Seil nach unten. Sie musste einmal kräftig daran ziehen, bevor Zela mehr Länge freigab. Das Seil baumelte vor dem Höhleneingang und sie sah, wie es hereingeholt wurde.
Zela gab noch mehr Seil nach und Shanera bekam Angst, dass es bis zu den Riesenkriechern durchsacken könnte. Sie gestikulierte „nach oben“ und hoffte, dass es Zela sehen konnte, da sie halb unter dem Überhang versteckt war. Vielleicht hätten sie Kessy fragen sollen, ob es auch Übersetzer gab, mit denen man sich aus der Entfernung unterhalten konnte. Zu spät. Sie signalisierte „Stopp“ und das Seil hielt an.
„Seid Ihr soweit?“
„Ja! Verdammte Biester!“
„Habt Ihr Euch gut mit dem Seil gesichert?“
„Ja! Mach schnell, wir können uns nicht mehr lange halten gegen diese Viecher!“
Shanera zeigte Koras an, dass das Seil hochgezogen werden sollte und sicherte sich mit beiden Händen daran. Das Schiff stand inzwischen in Richtung des Zentrums der Schlucht und sie merkte, wie der Zug nach hinten langsam zunahm.
„Auf drei lauft ihr los und springt aus dem Eingang! Eins, zwei, … drei!“ Sie stieß sich ab und fiel rückwärts ins Seil. Die Schwungbewegung wurde verstärkt durch Noor und Rey, die aus dem Höhleneingang sprangen, zwischen den wartenden Riesenkriechern hindurch.
Das Schiff zog sie mit einem unangenehmen Ruck nach oben und in eine
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