Shanera (German Edition)
eingedrückt. Es gab Lücken zwischen den Felsen, die gezackt und uneben aussahen. Hinter diesen Lücken war …
Shanera konnte es nicht genau erkennen. An der Felskante hätte sich die Hochebene anschließen müssen, doch es war schwarz und dunkel, nur gelegentlich sah man ein Schimmern und Aufblitzen, wie wenn sich etwas bewegte.
„Was ist das?“
„Wir nennen es den „Dunklen Fall“. Klingt vielleicht ein bisschen dramatisch, aber wenn man schon mal Namen vergeben darf …“
Plötzlich bewegte sich die Wand nach unten und Shanera hielt sich unwillkürlich fest. Felsen und Vögel zogen in schnellem Tempo vorbei, bis die Hochebene sichtbar wurde. Zela klammerte sich wie Shanera am Tisch fest, sie sah etwas grün im Gesicht aus. Koras starrte angestrengt geradeaus.
„So, jetzt könnt Ihr besser sehen.“, meldete sich Kessys Stimme.
Der Blick von schräg oben zeigte einen offenen Abgrund am Rand der Hochebene, direkt hinter der zerklüfteten, hier sehr dünnen Wand. Wo Felsgestein und Erde hätten sein müssen, war nur ein riesiges, tiefes Loch von annähernd ovaler Form. Aus der Ebene strömte ein breiter Fluss genau dorthin. Das Wasser schoss über den Rand des Abgrunds und toste in einem gigantischen Wasserfall nach unten, direkt in das Nichts des schwarzen Lochs.
„Der dunkle Fall.“, murmelte Zela.
„Ja, der Name trifft es.“, erwiderte Shanera.
„Danke!“, freute sich Kessy. „Das ist eine spannende Ecke hier. Wir hatten einen Aufklärer dort abgesetzt und die beiden holen ihn gerade zurück.“
„Da drin?“
„Ja, es ist nicht einfach nur ein Abgrund. Es gibt dort Simse und Höhlungen. Auch die Struktur der Wände ist sehr interessant. Unsere Vermutung war, dass es dort Leben in ungewöhnlichen Formen geben könnte. Leider können wir weder mit dem Schiff noch mit den Fluggeräten hineinfliegen.“
Shanera versuchte, die Größe des Schlundes abzuschätzen. Für das Schiff war er wohl gerade etwas zu klein, um dort sicher zu manövrieren. Und die kleinen Fluggeräte konnten vermutlich nur auf halbwegs ebenem Gelände fliegen, was sie für Schluchten wie diese oder generell für die Große Wand untauglich machte.
„Die beiden klettern also dort herum, um diesen ,Aufklärer‘ zu suchen?“, vergewisserte sie sich.
„Ja.“, bestätigte Kessy. „Dort hinten sind sie, seht Ihr?“
Shanera kniff die Augen zusammen. Das Felsgestein des Abgrunds schillerte und machte einen sehr unruhigen, fein strukturierten Eindruck. Doch tatsächlich, am linken Bildrand, nicht allzu weit von den stürzenden Wassern entfernt, sah man zwei winzige Gestalten im Fels. Sie liefen auf etwas Dunklem entlang, das wie große Ranken aussah, die sich an den Felsen festklammerten.
Zela sog den Atem ein. „Ich hoffe, die sind nicht zum ersten Mal in der Wand. Das sieht mir nicht nach einem guten Weg aus.“
Koras schüttelte den Kopf. „Ich kann nicht erkennen, was das ist, aber es ist kein Felsuntergrund.“
„Das macht doch nichts.“, meinte Kessy. „Es ist irgendein Zeug, das an den Felsen in der Schlucht wächst. Der Aufklärer ist ziemlich lange dort herumgekurvt und wir wissen, dass er noch in Betrieb ist.“
„Ich weiß zwar nicht, was ein Aufklärer ist, aber es ist wohl keine Person.“, erwiderte Shanera. „Das ist nicht das Gleiche, wie wenn die zwei dort herumturnen.“
„Ein Aufklärer ist ein kleines Gerät, das selbständig einen Bereich erkunden kann und alles aufzeichnet, was es sieht, hört und so weiter.“
„Und warum müsst Ihr das Ding da unten abholen? Kann es nicht fliegen oder sich zumindest bis zur Hochebene bewegen?“ Shanera nahm die Wunder der Ysrens inzwischen schon für ziemlich selbstverständlich.
„Tja, normalerweise hättest Du recht. Aber dieser hängt irgendwo fest und kommt allein nicht mehr heraus.“, erklärte Kessy.
„Na, das klingt ja nicht sehr beruhigend.“
„Jetzt hört auf, mich nervös zu machen. Soll ich das Bild wieder verschwinden lassen?“
„Nein, nein!“, beeilte sich Zela zu sagen. „Hör einfach gar nicht auf uns.“ Sie wollte den atemberaubenden Anblick noch etwas länger genießen.
Sie beobachteten Rey und Noor auf ihrem Weg entlang der Schluchtwand. Sie stiegen langsam tiefer hinein.
Kessy vergrößerte das Bild, und Shanera sperrte die Augen auf angesichts der Gewalt des tosenden Wasserfalls, dem die beiden Forscher sich näherten. Sie wirkten wie kleine Käfer, die Schlingpflanzen entlang krabbelten.
Jetzt konnte sie
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