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Shanera (German Edition)

Shanera (German Edition)

Titel: Shanera (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Schön
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schwindelerregenden Pendelbewegung über den schwarzen Schlund. Einer der Kriecher hatte sich an Noors Bein festgesaugt, der versuchte, ihn abzuschütteln. Das Seil geriet in schlingernde Bewegungen und Shanera wollte schon protestieren, während sie sich krampfhaft festklammerte.
    Endlich hatte er Erfolg und die Kreatur stürzte ins Nichts, genau ins Zentrum des klaffenden Abgrunds. Shanera verfolgte ihn mit den Augen, während sie wieder zurück zur Felswand pendelten. Doch er verschwand in der Dunkelheit und sie konnte nicht erkennen, was mit ihm geschah.
    Die Wand kam auf sie zu und sie fürchtete schon einen harten Aufprall, aber das Schiff zog noch rechtzeitig ein Stück zurück und der Pendelschwung kehrte in der Luft um. Shanera spähte nach unten. Die Ysrens schienen ausreichend gesichert. Ihre eigene Position war allerdings etwas wacklig, weil das Seil zu dünn war, um es ohne die Hilfe des Hakens am Ende gut greifen zu können. Sie winkte mit einem Arm zur Felswand.
    Das Schiff schwenkte langsam zurück zur Wand, wo Koras wieder in eine sichere Position geklettert war. Shanera hoffte, dass sie sich dort vom Seil lösen und dann einzeln oder zu zweit zum Schiff zurück konnten, wenn sie sich etwas besser gesichert hatten. Voraussetzung war natürlich, dass ihnen noch etwas Zeit blieb, bevor die Riesenkriecher ihren neuen Standort erreichten.
    Doch noch bevor sie den Fels erreicht hatte, bemerkte sie eine plötzliche Veränderung im Verhalten der Angreifer. Die sich eben noch zielstrebig in Koras Richtung bewegenden Kreaturen hielten plötzlich inne und drückten sich an die Wand. Fast, als wollten sie sich verstecken.
    Shanera überkam ein unbehagliches Gefühl. Hatte sie sich gerade noch gewünscht, von den Steinkriechern in Ruhe gelassen zu werden, so schien ihr diese Wendung plötzlich gar nicht mehr so erstrebenswert. Nicht, wenn es eine womöglich noch größere Gefahr bedeutete, vor der die zähen Biester sich verkrochen.
    Sie spähte umher, konnte aber nichts Ungewöhnliches ausmachen. Zumindest nichts, was noch ungewöhnlicher war als der Ort, an dem sie sich befanden.
    Die Wand kam auf sie zu, aber bevor sie Fuß fassen konnte, mussten sich erst die beiden Ysrens vom Seil losmachen. Sie waren sicher froh, aus der hastig umgelegten Schlinge herauszukommen, die ihnen die Luft abzuschneiden drohte. Allerdings brauchten sie länger, um auf dem Fels sicheren Halt zu finden und sich aus dem Seil zu befreien, als Shanera lieb war. Das dünne Seil schnitt ihr ins Handgelenk und sie beobachtete unruhig die Riesenkriecher, die immer noch unbeweglich an der Wand klebten.
    Ihr Blick wurde in die Tiefe gezogen. Hatte sich in dem dunklen Schlund etwas bewegt? Sie starrte in die unergründliche Schwärze. Irgendetwas war da, die Ahnung einer Bewegung, der Hauch von Formen, die sich aus der Dunkelheit schälten.
    „Beeilt Euch!“, rief sie Noor und Rey zu, denen Koras inzwischen zur Hilfe gekommen war. Im Tosen des Wasserfalls ging ihre Stimme beinahe unter.
    Endlich hatten die drei das Seil gelöst und Shanera signalisierte nach oben, sie noch etwas näher zur Wand zu bringen. Ihre Handgelenke schmerzten inzwischen so stark, dass sie fast zu früh losgelassen hätte, als der Fels in Reichweite schien. Doch sie konnte sich fangen und lehnte sich, als sie erlöst war und auf einem kleinen Vorsprung festen Stand gefunden hatte, schwer atmend gegen den Stein.
    Sie musste sich mit den anderen abstimmen, wie sie wieder ins Schiff kommen sollten. Am besten einzeln, sonst würde es schwierig werden, unfallfrei über den Rand des Eingangsraums zu gelangen. Sie blickte nach unten, wo Koras und die Ysrens standen.
    Was sie jedoch hinter den dreien vor der Tiefe des Abgrunds erblickte, ließ ihr den Atem stocken. Ihre Augen weiteten sich, bis sie fast aus den Höhlen traten. Sie zeigte in den Schlund und versuchte, eine Warnung auszurufen, doch es kam kein Ton über ihre Lippen.
    „Shanera, was ist los?“, rief Koras, als er merkte, dass etwas nicht stimmte. Dann folgte sein Blick ihrem ausgestreckten Arm und er blickte hinter sich in die Tiefe.
    Aus dem Schlund erhob sich ein gigantisches Etwas, schwarz glänzend und aus unzähligen, sich bewegenden, schlangengleichen Armen bestehend. Es war wie eine Armee von überdimensionalen schwarzen Würmern, die sich aneinander klammerten, übereinander krochen und sich immer höher und höher auftürmten. Jeder einzelne war baumdick. So unermesslich tief der Abgrund auch vorher

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