Shanera (German Edition)
einen fragenden Blick auf und rappelte sich hoch in eine sitzende Position. Sie war nicht mehr an dem Ort, wo sie eingeschlafen war. Neben ihr kauerte Zela und sah auch ziemlich mitgenommen aus.
„Es waren wohl diese Pflanzen. Sie haben irgendwelche berauschenden Düfte abgesondert. Ich fürchte, es ist eine ganze Kolonie von Fleischfressern. Sie betäuben ihr Opfer und dann, wenn es wehrlos ist, überwuchern sie es und zersetzen es mit ihren Säften.“
„Was?! … Bei den Göttern! Das ist ja abscheulich.“ Sie schluckte. „Dann hast Du mir das Leben gerettet. Komm her.“ Er beugte sich zu ihr, woraufhin sie ihn umarmte und ihm einen vorsichtigen Kuss gab. „Danke. Ich stehe in Deiner Schuld. Ich hoffe, ich kann es Dir eines Tages zurück geben.“
Er lächelte verlegen und zuckte mit den Schultern. Shanera sah ihn an, doch dann musste sie wieder an die schreckliche Falle denken und sie schüttelte sich schaudernd. Dann wandte sie sich ihrer Freundin zu.
„Zela, bist Du in Ordnung?“
„Mir ist schlecht. Ist aber nicht so schlimm. Was ist das auf Deiner Wange?“
„Wieso? Was ist da?“ Sie tastete beunruhigt auf ihrem Gesicht herum und zuckte zusammen, als sie eine wunde Stelle auf der rechten Wange berührte. „Au!“
Koras zog ihr die Hände von ihrem Kopf weg. „Vorsicht. Eine der Pflanzen hatte sich schon an Deiner Haut festgesaugt. Ich wasche das jetzt noch mal gründlich aus, Du lässt die Finger davon und heute Abend machen wir noch einen Kräuterverband drauf. Morgen ist alles wieder in Ordnung.“
Shanera setzte eine zweifelnde Miene auf. „Na hoffentlich. Ich habe keine Lust, mit einer Narbe im Gesicht herumzulaufen.“
„Keine Angst, Deine Schönheit bleibt unangetastet. Jetzt leg Dich wieder hin.“ Koras schwenkte den Wasserschlauch. Seine Patientin legte sich ergeben zurück und schloss die Augen. Sie spürte seine Hand an ihrem Kinn, als er sanft ihren Kopf hin und her drehte, während er das Wasser über die brennende Wunde laufen liess. „So, alles klar. Und denk daran, nicht anfassen.“
Shanera schlug die Augen auf und ließ den Blick über Koras Gestalt schweifen. Sie grinste. „Was genau darf ich alles nicht anfassen?“
„Heh, Ihr beiden. Keine Zudringlichkeiten hier.“, meldete sich Zela. „Und warum werde ich nicht verarztet? Dieses miese Unkraut hat mich sicher auch irgendwo angefallen. Magst Du nicht mal nachsehen?“
Koras verzog das Gesicht. „Euch scheint’s ja wieder besser zu gehen. Wenn wir aber heute noch weiterkommen wollen, dann sollten wir jetzt aufbrechen. Wir haben sowieso schon viel Zeit verloren.“
+
Auf dem langen Weg den Grat entlang versuchte Koras Shanera mit einigen Fragen weitere Details zu ihrem Weg zu entlocken. Shanera hatte sich schon seit einiger Zeit bemüht, den anderen zu erklären, warum sie dieses Ziel gewählt hatte und wie sie darauf gekommen war. Offenbar war der Aussichtspunkt in mehreren Schriften erwähnt, die Zela allerdings noch nicht unter die Finger gekommen waren.
Diese war erstaunt, zugeben zu müssen, dass sie, trotz ihrer Tempelausbildung mit direktem Zugang zur Bibliothek des Dorfes, viele Schriftrollen nicht kannte, ja deren Existenz nicht einmal vermutet hatte, an die Shanera irgendwie herangekommen war.
Vielleicht hatte sie ihren Lehrern schöne Augen gemacht, vielleicht hatte sie sich heimlich Zugang verschafft – Zela wollte es gar nicht so genau wissen. Jedenfalls beschämte es sie, dass sie selbst nicht mehr von den Dingen wusste, mit denen sie sich doch in ihrer Ausbildung zu befassen glaubte. Wer sich immer an die Regeln hielt, dem entging wohl einiges. Daher blieb sie während Shaneras Ausführungen weitgehend stumm, hörte aber genau zu.
Leider beeinträchtigten die Grübeleien über die Erklärungen ihrer Freundin ihre Konzentration auf den Weg. Nachdem sie schon zwei- oder dreimal gestolpert war, blieb sie schließlich an einer vorstehenden Wurzel hängen und landete unsanft auf dem Boden. Shanera und Koras blickten sich um und musterten sie erstaunt mit hochgezogenen Augenbrauen.
„Brauchst Du Hilfe?“, fragte Koras schließlich mit einem etwas skeptischen Unterton in der Stimme. Zela fühlte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss und biss sich auf die Lippen. „Nein.“, murmelte sie, raffte sich auf und lief mit gesenktem Kopf weiter, nur um beinahe mit einem tiefhängenden Ast zu kollidieren, dem sie erst im letzten Moment noch ausweichen konnte. Kopfschüttelnd folgten ihr die anderen
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