Shanera (German Edition)
hockte. Nach längerer Zeit brach diese das Schweigen, mit leiser Stimme.
„Shanera … Ich weiß nicht, was ich denken soll. Es ist klar, dass Du recht hattest und dass es hier Dinge gibt, von denen wir nie geträumt, geschweige denn etwas gewusst haben.“ Zela senkte den Kopf. „Aber irgendwie … Wenn ich hier oben sitze und da hinunter blicke, dann komme ich mir … verloren vor. Alles ist fremdartig, und unheimlich. Ich meine nicht nur diese Lichter, die zu hell brennen und nicht flackern … Denk an dieses merkwürdige fliegende Etwas auf dem Eisplateau. Ich weiß gar nicht, ob ich alles erfahren will, was auf diesem Planeten vor sich geht. Vielleicht gibt es da Welten, die mit der Unseren nichts gemein haben und in denen wir nichts verloren haben.“ Sie rang die Hände. „Verstehst Du, was ich meine?“
Shanera ließ sich Zeit mit der Antwort. „Ja, ich denke schon … Mich haben diese Dinge auch beunruhigt. Überwältigt. Wenn man allein vor etwas Neuem steht, dann ist das sehr verunsichernd. Es ist einfacher, umzukehren und in den vertrauten Bahnen weiterzuleben.“ Sie schwieg und fuhr dann fort. „Aber willst Du wirklich für den Rest Deines Lebens im Dorf sitzen und Dich fragen, was da unten gewesen wäre? Nachdem Du das hier gesehen hast? Nachdem Du soweit gekommen bist?“ Shanera schüttelte den Kopf in Beantwortung ihrer eigenen Frage. „Ich werde auf jeden Fall weitermachen. Auch wenn ich allein gehen muss. Ich kann auch nicht glauben, dass es da unten gar nichts Vertrautes mehr gibt. Diese Lichter sind doch höchstens, na ja, vielleicht zwölf Tagesmärsche von unserem Dorf entfernt, selbst wenn man davon ausgeht, dass man im Dschungel nur langsam vorankommt. Da muss es Gemeinsamkeiten mit uns geben.“
„Trotzdem … Und warum haben wir über die Wanddörfer hier in der Nähe nichts über diese Lichter gehört?“
„Hmm, wir sind hier schon ganz schön weit weg von der Großen Wand. Ich glaube nicht, dass man die Lichter von dort aus noch gut sehen würde. Es ist zu dunstig. Und die Dörfler kommen sicher nicht oft hierher. Es gibt keine größeren Tiere und die Pflanzen sind unfreundlich gesinnt …“ Shanera tastete nach ihrer Wange, bevor ihr einfiel, dass sie die Verletzung nicht berühren sollte.
„Das kann man wohl sagen. Dieses widerliche Grünzeug! Aber wenn es hier oben schon so etwas gibt, wie sieht es dann erst da unten aus, im richtigen Dschungel? Ist es nicht gefährlich? Wir wissen überhaupt nichts darüber.“
Shanera schwieg. Auf diesen Gedanken war sie dummerweise noch nicht gekommen. Sie klammerte sich an vage Vermutungen. „Da unten leben Leute, und zwar nicht wenige, wenn man diese Lichter zum Maßstab nimmt. So schlimm kann es also nicht sein.“
Zelas Miene blieb zweifelnd, sie sagte aber nichts.
Shanera blickte sie an.
„Zela. Ich weiß, dass das hier nicht Dein Gebiet ist. Und ich will Dich auf keinen Fall zu etwas überreden, das Du später bereust. Wenn Du nicht weitergehen willst, dann sag es einfach. Koras begleitet Dich sicher zurück. Und vorher können wir uns zu dritt eine Geschichte ausdenken, mit der Ihr möglichst wenig Ärger bekommt.“
Sie zögerte kurz, schluckte und blickte zu Boden. Dann löste sie vorsichtig ihre Brosche von ihrem Gewand und hielt sie Zela in der offenen Hand hin.
„Hier. Ihr könntet sagen, Ihr hättet mich solange gejagt, bis ich irgendwo abgestürzt oder sonstwie umgekommen wäre. Die Brosche kannst Du als Beweis vorzeigen.“
Zela riss die Augen auf. Niemand trennte sich freiwillig von seiner Brosche. Sie war der Ausweis der Dorfzugehörigkeit, der Mündigkeit, der freien Bewegung im weiteren Dorfgebiet und überhaupt aller Rechte als freier Bürger.
„Das würdest Du tun? Mir Deine Brosche geben? Du könntest nie wieder zurückkehren.“
Mit zwei Fingern strich sie vorsichtig über die ihr angebotene Brosche, während sie Shaneras Gesicht nachdenklich beobachtete. Dann schloss sie deren Hand wieder über dem wertvollen Stück.
„Ich wusste gar nicht, dass Du Dir solche Sorgen um mich machst. Ich danke Dir für Dein Angebot. Aber es war meine Entscheidung, so weit mitzukommen. Falls ich umkehre, werde ich mich schon zu verteidigen wissen.“ Sie seufzte. „Gib mir noch ein paar Sandläufe. Morgen früh werde ich mich entschieden haben. Ich muss jetzt nur ein bisschen allein sein.“
Shanera lächelte verlegen und steckte die Brosche umständlich wieder an, bevor sie sich erhob.
„Gut. Dann lasse ich
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