Shanera (German Edition)
Dich jetzt in Ruhe. Gute Nacht.“
„Gute Nacht, Shanera.“
Während Shanera ins Lager zurückging und sich zum Schlafen niederlegte, schlug Zela die Beine übereinander und nahm die im Tempel oft geübte Meditationshaltung ein. Sie sandte ein Gebet zu den Göttern und begann mit dem stillen Rezitieren eines Mantras, welches ihren Geist freimachen und die Entscheidungsfindung erleichtern sollte.
Lichter und Dunkelheit vergingen vor ihren Augen und zurück blieb ein Kosmos aus formlosen Gedanken, die zunächst hektisch umherschwirrten und dann nach und nach zur Ruhe kamen.
So blieb sie sitzen, für mehr als einen Sandlauf, während nur der erste Mond als stummer Wächter auf die einsame Gestalt auf dem Berggipfel herabblickte.
*
Tag 7
Der nächste Morgen kam kühl und neblig, die gute Sicht vom Vorabend war weg. Schweigend und noch etwas schlaftrunken rollten die drei ihre Decken ein und packten alles für den Abmarsch zusammen. Shanera spähte neugierig zu ihren Begleitern, doch keiner wollte das Wort ergreifen. Schließlich hielt sie es nicht mehr aus.
„Also … was ist nun? Falls Ihr Euch entscheidet, umzukehren, dann kann ich Euch jedenfalls jetzt schon sagen: Diese angeregten morgendlichen Unterhaltungen werde ich schwer vermissen.“
„Mmf.“, entgegnete Zela.
„Was soll denn das heißen?“
„Das soll heißen, dass nicht jeder zu nachtschlafender Zeit so gut gelaunt ist wie Du.“
„Wieso nachtschlafend? Windbote ist auch schon unterwegs. Es ist doch hell, oder?“
„Es ist nicht stockdunkel, das ist aber auch alles.“
„Wenn Du meinst. Trotzdem: Wie habt Ihr Euch entschieden?“
Zela atmete tief durch und blickte zu Koras. Dann sah sie Shanera in die Augen.
„Ich muss wohl verrückt sein. Aber ich werde mit Dir kommen.“
Shaneras Augen leuchteten auf.
„Wirklich? Und … ich meine … was hat Dich dazu bewogen?“
Zela blickte zur Seite.
„Gestern Abend habe ich lange dort gesessen und versucht, meine Entscheidung zu fällen. Eigentlich wollte ich nicht weiter, weg von zu Hause und in eine unbekannte Welt, die wahrscheinlich auch noch gefährlich ist. Aber ich bin auch neugierig. Was wir schon gesehen haben, sagte mir, dass es sich lohnen könnte, ein Risiko einzugehen. Trotzdem, ich hätte mich wohl nicht dazu durchringen können.“
Sie sah Shanera wieder an. „Und dann kam der Vogel.“
„Windbote?“
„Ja, Windbote. Er setzte sich ein paar Schritte neben mir auf einen Felsbrocken. Er sah mich an und schaute nach Süden, zu den Lichtern. Wir beide saßen ziemlich lange dort. Ich wagte kaum, mich zu rühren, weil ich ihn nicht erschrecken wollte. Dann sah er mich wieder an, stieß einen lauten Ruf aus, startete und flog nach Süden. Da wusste ich, welches mein Weg sein sollte.“ Plötzlich grinste sie. „Und außerdem konnte ich Dich doch nicht allein ziehen lassen. Mit Deinen Kochkünsten hättest Du Dich wahrscheinlich nach ein paar Tagen umgebracht.“
„Das ist doch … Allerdings, wenn Du in Zukunft das Kochen übernehmen willst, habe ich auch nichts dagegen. Jedenfalls freue ich mich, wenn Du dabei bist.“
Sie umarmte ihre Freundin, nur kurz, aber sie war sehr froh, nicht allein weiter ziehen zu müssen.
„Also gut.“, meldete sich Koras zu Wort. „Ich denke zwar auch, dass Ihr beide verrückt seid. Aber ich lasse Euch auf keinen Fall allein da hinunter gehen. Ihr werdet jemand gebrauchen können, der jagen und kämpfen kann. Auch wenn ich Deine Fähigkeiten nicht bestreiten will, Shanera. Aber ich hoffe doch, dass Ihr mich brauchen könnt, oder?“
Er sah Zela an, halb fordernd, halb verunsichert. Diese blickte zurück, erst skeptisch und mit widerstreitenden Gefühlen, doch dann lachte sie, nicht belustigt, sondern ein kleines, freundliches, liebevolles Lachen.
„Natürlich nehmen wir Dich mit. Wir freuen uns, dass Du dabei bist. Stimmt’s?“, wandte sie sich zu Shanera um. Diese lächelte, etwas verlegen.
„Ja … das stimmt.“ Sie nickte. „Ich dachte, ich müsste einsam durch die Welt ziehen … und jetzt? Zusammen mit zwei Freunden kann ja eigentlich nicht mehr viel schief gehen. Außer wenn einem die eine ins Kochen hineinredet und der andere ins Jagen …“
Sie sprang auf und versuchte im Zickzackkurs ihren Freunden zu entkommen, die sie mit gespielter Entrüstung rund ums Lager verfolgten.
„Ich zeig Dir gleich, wie ich Dich jage!“
„Und dann wirst Du Dein eigenes Essen schlucken, und zwar bis zum letzten Bissen!“
+
Zwei
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