Shanera (German Edition)
Auftrag dafür erhalten, diese, äh, Suche so weit auszudehnen.“
Zela seufzte. „Ja, Du hast recht. Es tut mir leid, dass ich Dich da mit reingezogen habe, Koras.“ Sie zögerte. „Ehrlich gesagt, denke ich auch langsam darüber nach, ob ich wirklich wieder zurück will.“
Shanera blickte noch erstaunter. Koras runzelte die Stirn.
„Aha. Das überrascht mich jetzt allerdings doch ein wenig. Und woher der plötzliche Sinneswandel?“
„Hör zu, ich habe nicht gesagt, dass ich mich schon entschieden habe. Ich brauche einfach ein wenig Zeit, um nachzudenken, in Ordnung?“
„Das kann ich mir schon vorstellen, aber mit jedem Tag werden unsere Probleme größer, so wie ich das sehe. Also wenn Du zurückwillst, dann überleg Dir das bitte bald.“
Die Frage schwebte natürlich im Raum: wofür würde er sich entscheiden? Doch im Moment wollte keine der beiden Frauen das Thema weiter verfolgen, und so blieb sie unausgesprochen.
„Hey, Koras, Du kennst doch angeblich so viele Geschichten von den anderen Jägern.“, brach Shanera schließlich das Schweigen. „Erzähl uns doch mal was.“
„Du willst eine Geschichte hören? Mal sehen …“ Koras grinste. „Wie wäre es mit etwas richtig Gruseligem?“
„Na ja …“, begann Zela wenig begeistert, doch Shanera unterbrach sie: „Etwas Gruseliges? Da bin ich gespannt.“
„Also gut.“ Koras nahm noch einen Schluck Tee. „Die Wand hat viele Gefahren, das brauche ich Euch wohl nicht zu sagen. Da gibt es Felsabbrüche, Steinschläge, Unwetter oder das Giftrotblatt.“ Er kratzte sich an der Hand. „Aber das ist noch nicht alles. Ihr glaubt vielleicht, dass die meisten Tiere in der Wand eher harmlos sind.“
„Sind sie das denn nicht?“, fragte Zela.
„Die, denen Du bisher begegnet bist, wahrscheinlich schon. Aber es gibt auch andere, gefährliche Tiere. Manche sind sogar richtige Monster!“
Zela schluckte.
„Die Jäger erzählen von einer wahren Bestie, die in einer großen Schlucht haust. Nur wenige haben sie gesehen und sind schnell genug geflohen, um darüber berichten zu können. Sie sagen, es handele sich um eine riesige Schlange, dicker als der größte Baum und so lang, dass ihr Ende im Dunkel der Schlucht niemals sichtbar wird. Diese Bestie ist schwarz wie die Nacht. Sie soll viele Köpfe haben, einer so gefährlich wie der andere. Es heißt, sie sei praktisch unverwundbar. Selbst wenn Du es schaffen solltest, ihr einen Kopf abzuschlagen, bleiben ihr immer noch genug, um Dir den Garaus zu machen.“
„Also ich weiß nicht.“, meinte Shanera. „Das klingt doch etwas übertrieben.“ Zela sah allerdings ziemlich beeindruckt aus.
„Übertrieben?“, entgegnete Koras. „Vielleicht ein wenig ausgeschmückt. Aber ich habe diese Geschichte schon öfter gehört und die meisten glauben, dass da etwas dran ist. Falls wir an einer merkwürdig aussehenden Schlucht vorbeikommen, sollten wir jedenfalls die Augen offen halten.“
„Ich kann nur hoffen, dass unser Weg woanders hinführt.“, murmelte Zela. „Können wir jetzt über etwas Beruhigenderes reden?“
+
Bis zum Abend waren sie in ein von Büschen überwuchertes, flaches Gebiet vorgedrungen. Die großen Grasebenen gab es hier nicht, aber der Wind war wieder da, im Vergleich zu ihrem Weg durch das Eistal jedoch in beinahe angenehmer Temperatur. Als die Sonne schon tief stand, konnten sie vor sich das Ende der Hochebene erahnen und sie beeilten sich, um die Kante noch vor Einbruch der Dunkelheit zu erreichen.
Als sie schließlich am Rande der hier steil abfallenden Felsen standen, schickte die Sonne ihre letzten Strahlen flach über das Land. Vor sich und unter sich sahen sie in eine dunstige Ferne. Shanera spähte angestrengt durch die Schleier aus Nebel und dünnen Wolken. Schließlich deutete sie mit ausgestrecktem Arm nach Südwesten.
„Da. Seht ihr? Dieses große dunkle Gebiet da unten? Das muss der Aussichtspunkt sein. Der Berg liegt halb im Schatten und deshalb sieht er dunkler aus.“
Koras kniff die Augen zusammen. „Es ist wirklich schwer, etwas zu erkennen. Aber es sieht so aus, wie Du sagst.“
Zela sah sie beide an. „Das heißt, wir können den Aussichtspunkt morgen erreichen? Das müsste zu schaffen sein, oder?“ Etwas leiser fügte sie hinzu: „Jetzt sind wir so weit gekommen, da will ich mir das auf jeden Fall noch anschauen.“
„Wenn wir nicht zu lange nach dem Kletterpfad suchen müssen, dann können wir es bis morgen Abend schaffen, würde ich sagen.
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