Shanghai Love Story
den Joint an.
»Oh nein!«, kicherten die beiden und standen auf, wobei sie sich gegenseitig stützen mussten. »Wir machen Schluss. Wir sind total dicht, Mann!«
Sie stolperten lachend zur Tür und fluchten dabei in einer Sprache, die Anna nicht verstand, ehe sie hinaus auf den hell erleuchteten Flur taumelten und die Tür hinter sich zuschlugen.
Laurent zuckte zusammen. »Kümmere dich nicht um die beiden«, sagte er. »Die kommen nur wegen einer Sache her â und das ist nicht mein Körper!« Er lachte über seinen eigenen Scherz und rauchte den Joint zu Ende. Dann drückte er ihn auf einem kleinen Teller aus.
»Je mâen vais aussi«, sagte der dunkelhaarige Jointroller und stand auf. »Bis bald, Hannah.«
»Anna.«
»Oder so.« Er fegte die letzten Haschischkrümel von der Glasplatte des Tischs, drückte sie auf seine Zunge und schloss dann die Tür hinter sich.
Anna fühlte sich unwohl, allein mit Laurent in der Höhle des Löwen, aber zu ihrer Erleichterung kehrte er nun den Kavalier heraus, wie bei ihrem ersten Treffen. Er bot ihr Tee an und schraubte eine goldfarbene Dose auf, aus der er mit Daumen und Zeigefinger ein paar verkümmerte, trockene Blätter zog, die er in zwei Deckeltassen fallen lieÃ. Dann nahm er eine groÃe Plastikthermoskanne vom Regal und erklärte Anna, er müsse kochendes Wasser besorgen.
Während er weg war, schaute sich Anna in seinem Zimmer um. Die Einrichtung zeugte von einem exquisiten Geschmack und unterschied sich deutlich von den Zimmern der anderen Studenten, in die Anna auf dem Weg nach oben einen Blick werfen konnte. Bahnen von grüner Seide mit Drachenmustern waren entlang des Bettes wie Tapete an die Wand geheftet. Die Hälfte des Bodens war mit Strohmatten bedeckt. In der anderen Hälfte des Raums standen zwei Schreibtische und zwei Regale aus Rohrgeflecht, beladen mit chinesischen Büchern und Porzellantassen. Auf dem Boden an den Wänden lagen zwei Matratzen, die als Betten dienten.
Laurent kehrte zurück und beantwortete ihre unausgesprochene Frage. »Mein Zimmergenosse ist nie da. Er verbringt seine Zeit mit Trips durch Tibet, also habe ich das Zimmer für mich allein.« Er goss das heiÃe Wasser in die beiden Tassen. »Er war schon im letzten Jahr mein Zimmerkamerad, und ich habe es so arrangiert, dass ich ihn auch dieses Jahr wieder bekommen habe.« Er lächelte Anna verschwörerisch an und sie fragte sich, ob dieser Zimmergenosse tatsächlich existierte. Laurent schien ein Händchen dafür zu haben, die Dinge so hinzubiegen, wie sie ihm passten.
Er reichte Anna die Teetasse und setzte sich neben sie. »Also, was hast du getrieben, seit ich dich das letzte Mal gesehen habe?«
»Ich war mit Chenxi eine Woche unterwegs, bei seiner Tante in der Nähe von Xian.«
»Tatsächlich?«, sagte Laurent überrascht.
»Was ist so bemerkenswert daran?«, fragte Anna.
»Nichts. Es ist nur so, dass es Chinesen normalerweise nicht gestattet ist, Ausländer bei sich wohnen zu lassen.«
»Die Akademie hat die Sache organisiert.«
»Das hoffe ich. Um Chenxis Willen.«
»Wer könnte ihm Ãrger machen wollen?«, fragte Anna, aber Laurent hörte augenscheinlich nicht zu. »Laurent?«
Laurent legte den Finger an die Lippen.
»Was?«, flüsterte sie genervt.
Laurent deutete auf einen kleinen Lautsprecher über der Tür. Er knisterte ein bisschen. Er beugte sich zu ihr und flüsterte ihr ins Ohr: »Damit sagt man uns Bescheid, wenn Anrufe für uns da sind. Aber er funktioniert in beide Richtungen.«
»Du bist ja paranoid«, sagte Anna wegwerfend. »Du rauchst zu viel Hasch.«
»Vielleicht«, sagte Laurent. »Aber ein Freund von mir, der in Beijing studiert, fand letzte Woche unter seiner Nachttischlampe eine Wanze.« Er beugte sich ganz nah zu ihr und streifte mit seinen Lippen Annas Ohr. »Wir sind in China, meine SüÃe«, sagte er dramatisch. »Nicht in Australien.«
Anna rückte ein wenig von ihm ab und suchte krampfhaft nach einem neuen Thema.
Der Lautsprecher gab einen leisen Knall von sich. »Okay«, sagte Laurent mit normaler Stimme. »Jetzt hören sie nicht mehr zu.« Er rückte auf der Matratze nach hinten und lehnte den Rücken gegen die Wand. Anna nippte an ihrem Tee.
»Was machst du in der Akademie?«, fragte Laurent
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