Shannara I
während die grelle Sonne am Horizont sich blutrot verfärbte und unterging. Als es zu dunkel wurde, um den Marsch fortzusetzen, führte Allanon sie in den Wald, wo sie für die Nacht ihr Lager aufschlugen. Sie hatten eine Stelle nahe dem nordwestlichen Sektor des gefürchteten Undurchdringlichen Waldes erreicht und liefen wieder Gefahr, von Gnomensuchtrupps oder umherstreifenden Wolfsrudeln aufgestöbert zu werden. Der Druide betonte jedoch seine Ansicht, daß man die Suche nach ihnen zugunsten dringender Anliegen inzwischen würde aufgegeben haben. Aus Vorsichtsgründen sollten sie jedoch kein Feuer anzünden und während der Nacht eine Wache gegen die Wölfe aufstellen. Flick flehte im stillen darum, daß die Wolfsrudel sich nicht so nah an freies Gelände heranwagen würden. Sie aßen ein paar Bissen und legten sich schlafen. Menion erbot sich, die erste Wache zu übernehmen. Flick schlief schnell ein. Es schien ihm, als habe er kaum die Augen zugemacht, als Menion ihn weckte. Gegen Mitternacht näherte sich Allanon lautlos und befahl Flick, sich wieder hinzulegen. Der Talbewohner hatte nur ungefähr eine Stunde Wache gehalten, widersprach aber nicht.
Als Flick und Menion wieder wach wurden, war es Tag. In den schwachen rötlichen und gelben Strahlen der Morgensonne, die langsam in den schattigen Wald krochen, sahen sie den riesenhaften Druiden ruhig an einer hohen Ulme lehnen. Die große, schwarze Gestalt schien beinahe ein Teil des Waldes selbst zu sein. Der Druide saß regungslos, die tiefen Augen schwarz in den Höhlen unter der mächtigen Stirn. Sie wußten, daß Allanon sie die ganze Nacht ohne Schlaf bewacht hatte. Er konnte nicht ausgeruht sein, erhob sich aber trotzdem, ohne sich zu recken, das grimmige Gesicht wach und frisch. Sie frühstückten schnell und verließen den Wald. Augenblicke später blieben sie betroffen stehen. Ringsum war der Himmel klar und von lichtem Blau, während die Sonne in blendender Helligkeit über dem fernen Gebirge aufstieg. Aber im Norden stand eine gigantische emporragende Wand von Dunkelheit vor dem Himmel, als hätten sich alle dräuenden Gewitterwolken der Erde vereinigt und aufeinandergetürmt, um eine schwarze, düstere Mauer zu bilden. Sie erhob sich in die Luft, bis sie sich in der gewölbten Atmosphäre des Erdhorizonts verlor, und erstreckte sich quer über das ganze rauhe Nordland, riesig, schwarz und grauenhaft - ihr Mittelpunkt das Reich des Dämonen-Lords. Sie schien die gnadenlose, unaufhaltsame Annäherung einer ewigen Nacht anzukündigen.
»Was haltet Ihr davon?« Menion brachte die Worte kaum über die Lippen.
Allanon schwieg für Augenblicke. Sein dunkles Gesicht war ein Spiegel der Schwärze im Norden. Seine Kiefermuskeln schienen sich anzuspannen, der kleine, schwarze Bart zuckte, und die Augen verengten sich.
»Das ist der Anfang vom Ende«, sagte der Druide schließlich. »Brona kündigt den Beginn seines Eroberungszuges an. Diese schreckliche Dunkelheit wird seinen Armeen folgen, wenn sie nach Süden, Osten und Westen vorstoßen, bis die ganze Erde überflutet ist. Wenn die Sonne über allen Ländern ausgelöscht wird, ist auch die Freiheit tot.«
»Sind wir geschlagen?« fragte Flick nach einer Pause. »Sind wir wirklich geschlagen? Haben wir keine Hoffnung mehr, Allanon?«
Der Druide drehte sich um und blickte ruhig in die großen, angstvollen Augen.
»Noch sind wir nicht geschlagen, mein junger Freund. Noch nicht.«
Allanon führte sie einige Stunden lang nach Westen, stets in der Nähe des Waldes, und forderte die beiden Begleiter immer wieder auf, die Augen offenzuhalten. Die Schädelträger würden jetzt auch bei Tag fliegen, nun, da der Dämonen-Lord mit seinem Feldzug begonnen hatte, ohne Angst vor dem Sonnenlicht, nicht mehr bemüht, sich zu verbergen. Der Meister gedachte sich nicht länger im Nordland zu verstecken; er war auf dem Weg in die anderen Länder und schickte seine getreuen Geister voraus wie Raubvögel. Er würde ihnen die Macht verleihen, die es ihnen erlaubte, der Sonne zu widerstehen - die Macht, gefesselt in der riesigen schwarzen Wand über seinem Reich, die bald auch über den anderen Ländern dräuen sollte.
Am späten Vormittag wandten sich die drei Wanderer auf der Ebene von Streleheim nach Süden, entlang des Westrandes der Wälder um Paranor. Die Spur, der sie gefolgt waren, vereinte sich hier mit anderen, die von Norden kamen und südlich nach Callahorn weiterzogen. Die Fährte war breit und ohne Tarnung;
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