Shannara I
Ein Stückchen weicher Kohle veränderte die Linien im Gesicht und die Form der Augen. Es war bestenfalls ein Provisorium, aber im Dunkeln konnte Flick für einen großen, stämmigen Gnomen gelten, wenn er nicht einer scharfen Überprüfung unterzogen wurde. Das Unternehmen wäre selbst für einen erfahrenen Jäger gefährlich gewesen, und es schien an Selbstmord zu grenzen, wenn ein Unerfahrener versuchte, sich als Gnom auszugeben, aber sie hatten keine andere Wahl. Irgend jemand mußte in das riesige Heerlager gelangen und herauszufinden versuchen, was mit Eventine, mit Shea und dem Schwert geschehen war. Das Allanon selbst hinunterging, kam nicht in Frage; er wäre sogar in der besten Maske sofort erkannt worden. Die Aufgabe oblag also dem angstvollen Flick, als Gnom verkleidet sich im Schutz der Dunkelheit die Hänge hinabzuschleichen, vorbei an den Wachen, in das Lager der vielen tausend Gnomen und Trolle, um dort in Erfahrung zu bringen, ob sein Bruder oder der vermißte Elfen-König Gefangene seien, und Erkundigungen über den Verbleib des Schwertes einzuziehen. Eine zusätzliche Erschwernis war, daß der Talbewohner das feindliche Lager wieder verlassen haben mußte, bevor es hell wurde. Wenn ihm das nicht gelang, würde man seine Maske gewiß durchschauen und ihn überwältigen.
Allanon veranlaßte Flick, seinen Jagdumhang auszuziehen, und beschäftigte sich einige Minuten damit, ein wenig den Schnitt zu verändern und die Kapuze zu verlängern, damit sie den Träger besser verbarg, Flick legte den Umhang wieder um und stellte fest, daß, wenn er ihn fest zuzog, nichts von ihm zu sehen war als seine Hände und ein verschatteter Teil seines Gesichts. Wenn er sich von echten Gnomen nach Möglichkeit fernhielt und bis zur Morgendämmerung auf den Beinen blieb, bestand die Möglichkeit, daß er etwas Wichtiges erfuhr und zu entkommen vermochte. Er prüfte, ob sein Jagddolch fest am Gürtel hing, dann stand er langsam auf. Allanon betrachtete ihn noch einmal von oben bis unten und nickte.
Das Wetter war in der letzten Stunde dräuend geworden, der Himmel eine Masse wogender, schwarzer Wolken, die Mond und Sterne völlig verdeckten, auf der Erde herrschte dadurch fast undurchdringliche Dunkelheit. Das einzige Licht stammte von den lodernden Feuern des Lagers. Sie flammten im Nordwind, der heulend durch die Drachenzähne fegte, höher auf. Ein Sturm kündigte sich an und würde sie wohl noch vor dem Morgen erreichen. Der Druide hoffte, daß Wind und Dunkelheit dem verkleideten Talbewohner helfen würden, der Entdeckung zu entgehen.
In kurzen, knappen Sätzen erläuterte Allanon, wie Flick sich unterhalten müsse, wie das Lager angelegt sei und wo der Wachtposten zu erwarten habe. Er wies ihn an, auf die Standarten der Gnomen-Häuptlinge und der Maturen, der Troll-Führer, zu achten, die sicherlich in der Mitte des Heerlagers zu sehen sein würden. Um jeden Preis müsse er vermeiden, mit irgend jemandem zu sprechen, da seine Ausdrucksweise ihn sofort als Südländer entlarven würde. Flick lauschte aufmerksam und mit klopfendem Herzen. Für ihn stand schon fest, daß er keine Aussicht hatte, unentdeckt zu bleiben, aber die Treue zu seinem Bruder war so groß, daß er dem gesunden Menschenverstand keinen Platz einräumen wollte. Allanon beendete die kurze Instruktion mit dem Versprechen, dafür zu sorgen, daß Flick ungefährdet an der ersten Postenlinie vorbeikommen würde, die unten am Hang aufgestellt war. Er legte den Finger an die Lippen und winkte.
Sie traten aus dem Schutz der Felsblöcke und schlichen hinab zur Ebene. Es war so finster, daß Flick nahezu gar nichts sah und an der Hand geführt werden mußte. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, aber endlich erblickten sie von neuem die Feuer des feindlichen Heerlagers. Flick war von dem Abstieg aus den Bergen wie zerschlagen. Die Dunkelheit schien wie eine Mauer zwischen den Feuern und ihnen zu stehen, und Flick konnte die Wachen weder sehen noch hören. Allanon sagte nichts, sondern duckte sich hinter einen Felsblock und lauschte angestrengt. Die beiden verharrten lange Zeit regungslos, dann stand Allanon plötzlich auf, bedeutete Flick, an seinem Platz zu bleiben, und verschwand lautlos in der Nacht.
Der kleine Talbewohner schaute sich um, allein und angstvoll, weil er nicht wußte, was vorging. Er preßte das heiße Gesicht an den kalten Stein und ging in Gedanken noch einmal durch, was er zu tun haben würde, sobald er das Lager erreichte. Er hatte
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