Shannara I
keinen fertigen Plan. Er würde darauf achten, mit keinem zu sprechen und, wenn möglich, nicht sehr an andere heranzukommen. Er gedachte sich fernzuhalten vom grellsten Licht. Die Gefangenen, wenn sie überhaupt im Lager waren, würden in einem bewachten Zelt nahe dem Mittelpunkt der Feuer untergebracht sein, so daß sein erstes Ziel darin bestand, dieses Zelt zu finden. Angenommen, es gelang ihm, wofür wenig sprach, würde er dann zu den Hängen zurückkehren, wo Allanon auf ihn wartete, und die weiteren Schritte mit ihm besprechen.
Flick schüttelte verwirrt den Kopf. Er wußte, daß er mit dieser Maske nicht unentdeckt bleiben würde - er hatte weder das Talent noch die Schlauheit, andere zu täuschen. Aber was blieb ihm anderes übrig, als es zu versuchen?
Ein plötzliches Geräusch in der Dunkelheit ließ den kleinen Talbewohner entsetzt herumfahren, das Jagdmesser in der Hand. Ein scharfes Flüstern, dann glitt Allanons dunkle Gestalt lautlos heran. Seine Hand packte Flicks Schulter und zog ihn in die Deckung zurück. Allanon blickte prüfend in das Gesicht seines Gegenübers. Flick zwang sich, den durchdringenden Augen standzuhalten; er spürte, wie sein Herz bis zum Hals schlug.
»Die Wachen sind beseitigt - der Weg ist frei«, tönte die tiefe Stimme. »Geh jetzt, mein junger Freund, und verlasse dich auf deinen Mut und deinen Verstand.«
Flick nickte und stand auf, dann schlich er hinein in die Schwärze der Ebene. Sein Verstand hörte auf zu arbeiten, hörte auf, sich zu wundern, als sein Körper das Kommando übernahm und seine Instinkte die Dunkelheit nach verborgenen Gefahren absuchten. Er lief halb geduckt auf die fernen Feuer zu, blieb ab und zu stehen und lauschte. Die Nacht war ein undurchdringliches Leichentuch, der Himmel noch immer dicht verhangen. Das Flachland war glatt und offen, die Oberfläche ein Grasteppich, der jeden Laut schluckte. Es gab einige Büsche und vereinzelt Bäume in der weiten Leere. In der Dunkelheit war kein Lebenszeichen zu erkennen, die einzigen Geräusche waren das Heulen des zunehmenden Windes und seine eigenen Atemzüge. Die Lagerfeuer, von weitem ein orangerotes, nebelhaftes Leuchten, lösten sich in einzelne Lichter auf, als der Talbewohner näherkam. Manche loderten hell auf, wenn neues Holz nachgeschoben wurde, andere waren schon herabgebrannt und zur Glut erloschen, während die Soldaten schliefen. Flick hörte jetzt schwache Stimmen, aber verstehen konnte er noch nichts.
Es verging fast eine halbe Stunde, bis Flick die ersten Feuer erreichte. Er blieb außerhalb des Lichtscheins geduckt stehen und schaute sich um. Der kalte Nachtwind schürte die Flammen und ließ dünne Rauchwolken herüberwehen. Ein zweiter Ring von Wachen umgab das Lager, aber die Abstände zwischen den einzelnen Posten waren groß. In solcher Nähe des Lagers befürchteten die Nordländer nichts. Die Wachen waren meist Gnomenführer, wenngleich Flick hier und dort auch die großen Trolle erkennen konnte.
Er starrte geraume Zeit auf die fremdartigen Züge der Bergwesen. Sie waren von verschiedener Größe, diese Trolle, alle mit dicken Gliedmaßen und einer dunklen, holzartigen Haut. Die Wachen und vereinzelte andere, die nicht umherliefen, sondern herumstanden oder am Feuer kauerten, hatten sich in dicke Umhänge gehüllt, die ihre Leiber und Gesichter zum größten Teil verbargen. Flick nickte zufrieden vor sich hin. So würde leichter für ihn sein, unbemerkt ins Lager zu gelangen, wenn alle dick vermummt waren, und nach der zunehmenden Kälte zu schließen, würde es bis zu Morgendämmerung gewiß nicht wärmer werden.
Auf irgendeine Weise wirkte das Lager aus der Nähe kleiner als von oben. Flick machte sich trotzdem nichts vor, denn er wußte, daß es sich in alle Richtungen über eine Meile weit ausdehnte. Sobald er zwischen den Wachen hindurchgeschlüpft war, würde er zwischen Tausenden schlafender Gnomen und Trolle sein, vorbeigekommen an Hunderten von Feuern, die hell genug waren, seine Maske zu entlarven. Den ersten Fehler, den er beging, würde er teuer bezahlen. Auch wenn es ihm gelingen sollte, unentdeckt zu bleiben, mußte er immer noch die Gefangenen aufspüren und erfahren, wo sich das Schwert befand. Er schüttelte zweifelnd den Kopf und ging langsam weiter.
Die natürliche Neugier forderte ihn auf, am Rand des Feuerscheins zu verweilen, um die noch wachen Gnomen und Trolle genauer zu betrachten, aber er widerstand der Versuchung, weil er wußte, daß ihm nicht
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