Shannara I
aber wir müssen viel schneller sein als der Feind, und Eure Füße sind noch nicht in der Verfassung, längere Anstrengungen zu ertragen. Das wißt Ihr so gut wie ich. Also übernehmt Ihr die Uferpatrouille. Haltet uns den Weg zu den Booten offen, damit leistet Ihr uns einen größeren Dienst, als wenn Ihr mit uns kommen würdet.«
Menion nickte langsam, trotz seiner Enttäuschung. Er hatte den Angriff mit anführen wollen. In einem Winkel seines Gehirns hegte er noch immer die Hoffnung, Shea als Gefangenen im feindlichen Lager zu finden. Er dachte an Allanon und Flick. Vielleicht hatten sie den jungen Talbewohner entdeckt, wie Allanon es versprochen hatte. Er schüttelte traurig den Kopf.
Die Besprechung endete bald danach, und Menion Leah verließ bedrückt und verbittert den Raum. Fast ohne es zu merken, ging er die Steintreppen hinunter und lief durch die Straßen zurück zu Shirls Haus. Wohin sollte das alles führen? dachte er. Die Bedrohung durch den Dämonen-Lord hing über ihnen wie eine schwarze, unheimliche Wolke. Wie konnten sie jemals hoffen, ein Wesen zu besiegen, das keine Seele besaß - ein Wesen, das nach Gesetzen lebte, die der Welt, in der Menion geboren war, zur Gänze fremd waren?
Er stand plötzlich vor dem Ravenlock-Haus. Die schweren Türen waren geschlossen, die Metallbänder wirkten kalt und frostig im grauen Nebel, der sich langsam auszubreiten begann. Er ging auf dem mit Platten ausgelegten Weg in den kleinen Garten. Von Laub und Blumen tropfte noch der Regen, der Boden war weich und naß. Er stand versonnen da und gab für Augenblicke der Verzweiflung nach. So allein war er sich noch nie vorgekommen, nicht einmal in der dunklen Leere des Hochlands von Leah, wenn er fern von seinem Heim und allen Freunden auf der Jagd gewesen war. Eine dumpfe Stimme in ihm sagte, er werde nie mehr dorthin zurückkehren, woher er gekommen war, er werde Freunde, Heimat, Familie nie wiedersehen. Auf irgendeine Weise hatte er in den vergangenen Tagen alles verloren. Er schüttelte den Kopf und drängte die aufsteigenden Tränen zurück.
Auf den Steinplatten näherten sich plötzlich Schritte, und eine kleine, zierliche Gestalt trat zu ihm, mit großen Augen, die ihn anblickten und dann über den Garten hinwegschweiften. Sie standen lange Zeit stumm nebeneinander, und es war, als sei die übrige Welt ausgesperrt. Am Himmel drängten neue, riesige Wolken heran und verhüllten das letzte Blau des Himmels. Es wurde dunkel, und der Regen begann erneut auf das belagerte Land herabzurauschen. Menion registrierte mit zerstreuter Erleichterung, daß die Insel Kern eine schwarze, mondlose Nacht erleben würde.
Es war weit nach Mitternacht, der Regen hatte ein wenig nachgelassen, aber der Nachthimmel war noch immer tiefschwarz und drohend, als Menion Leah erschöpft auf ein kleines, primitiv gebautes Floß stolperte, das am Südufer verankert war. Zwei schlanke Arme griffen nach ihm, als er zusammensank, und er blickte verwundert in die Augen Shirl Ravenlocks. Sie hatte auf ihn gewartet, wie versprochen, obwohl er sie angefleht hatte, mit den anderen zu gehen, sobald die Evakuierung begann. Zerschlagen und blutend, ließ er sich in einen noch halbwegs trockenen Mantel hüllen und an ihre Schulter ziehen, während sie in den nächtlichen Schatten kauerten und warteten.
Andere, die mit Menion zurückgekehrt waren, stiegen auf das Floß, gezeichnet von der Anstrengung, aber stolz auf den Mut und die Opferbereitschaft, die sie in dieser Nacht auf den Ebenen nördlich von Kern bewiesen hatten. Niemals hatte der Prinz von Leah solche Tapferkeit im Angesicht einer Übermacht gesehen. Die wenigen Männer der Legion hatten das feindliche Lager so aufgestört, daß selbst jetzt noch, an die vier Stunden nach dem Beginn des Angriffs, dort völlige Verwirrung herrschte. Die Zahl der Feinde war unfaßbar groß gewesen - Tausende und Abertausende, durcheinander stürmend, auf alles einhauend, was sich bewegte, Tod und Verwundung sogar für die eigenen Reihen säend. Sie waren getrieben worden von mehr als Angst oder Haß, nämlich von der unmenschlichen Macht des Dämonen-Lords, dessen unermeßliche Wut sie wie irrsinnige Wesen, die kein anderes Ziel kannten als Zerstörung, in den Kampf schleuderte. Und trotzdem hatten die Männer der Legion sie aufgehalten, zurückgeworfen und immer wieder angegriffen. Viele waren gefallen. Menion wußte nicht, was sein eigenes, armseliges Leben geschont hatte, aber es grenzte an ein Wunder,
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