Shannara I
zu haben.« Er sah sie bedeutungsvoll an, bevor er einen Blick auf die Dienerschaft warf. »Er hat überall Freunde, wisst Ihr.«
Menion und Shirl nickten, weil Menion es von ihnen erwartete.
»Dann wird er also nicht aus den Verliesen entkommen können?« fragte Menion unschuldig.
»Er hat es gestern nacht versucht… zusammen mit seinen Freunden.« Palance lächelte zufrieden. »Aber wir haben sie ertappt und in die Falle gelockt. Sie werden die Verliese nicht mehr verlassen. Stenmin ist jetzt dort… Ihr müsst ihn kennen lernen…« Wieder richtete er sich unentschlossen auf, sah zu den Dienern hinüber und winkte einige heran. Er befahl ihnen, seine Freunde zu ihren Gemächern zu führen, damit sie ein Bad nehmen und sich umkleiden konnten, bevor sie mit ihm frühstückten. Die Sonne stand erst eine Stunde am Himmel, und die Flüchtlinge aus Kern hatten seit dem vergangenen Abend nichts gegessen. Menions nur provisorisch verbundene Wunden mussten behandelt werden, und der Hausarzt stand schon bereit, die Verbände zu wechseln. Menion brauchte auch Schlaf, aber zur Ruhe würde er erst später kommen. Die kleine Gruppe ging durch einen langen Korridor, als Shirl plötzlich ihren Namen rufen hörte. Sie drehte sich um. Der neue Herrscher von Callahorn kam ihnen nachgeeilt, blieb vor Shirl stehen, zögerte und umarmte sie dann. Menion hielt das Gesicht abgewendet, hörte aber deutlich mit, was gesprochen wurde.
»Du darfst mich nie wieder verlassen, Shirl.« Es war ein Befehl, keine Bitte, auch wenn die Stimme leise klang. »Du musst für immer in Tyrsis bleiben - als meine Frau.«
Es blieb einen langen Augenblick still.
»Palance, ich glaube, wir -« begann Shirl stockend.
»Nein, sag nichts. Keine Diskussion- nicht jetzt«, unterbrach Palance sie schnell. »Später… wenn wir allein sind, wenn du ausgeruht bist… dann ist Zeit dafür. Du weißt, dass ich dich liebe… immer geliebt habe. Und du hast mich auch geliebt, ich weiß es.«
Wieder blieb es lange Augenblicke still, dann ging Shirl mit schnellen Schritten an Menion vorbei und zwang die Diener, voranzustürzen, um ihr den Weg zu ihren Räumen zu zeigen. Der Hochländer holte Shirl ein und wagte nicht, nach ihrer Hand zu greifen, solange ihr Gastgeber im Korridor stand und ihnen nachblickte. Shirl hielt den Kopf gesenkt, so dass die langen, roten Haare ihr Gesicht halb verhüllten. Sie blieben beide stumm, als die Bediensteten sie durch den breiten Korridor zum Westflügel des alten Palastes führten. Dort trennten sie sich kurze Zeit, damit der Arzt Menions Wunden behandeln und frisch verbinden konnte. Danach lag auf dem großen Himmelbett frische Kleidung, und das heiße Bad wartete, aber Menion wollte von beidem nichts wissen. Er verließ hastig sein Zimmer, klopfte leise an die Nebentür, öffnete sie und trat ein. Shirl erhob sich von ihrem Bett, als er die schwere Holztür schloss, dann lief sie auf ihn zu und schlang die Arme um ihn.
Sie klammerten sich lange Zeit aneinander, spürten den warmen Lebensstrom in ihren Körpern, lauschten auf ihren Herzschlag. Menion streichelte sanft das dunkelrote Haar und presste Shirl an seine Brust. Sie verließ sich auf ihn; dieser Gedanke erleichterte ihn. Wenn ihre eigene Stärke, ihr Mut versagte, hielt sie sich an ihn. Menion begriff, dass er sie mit verzweifelter Kraft liebte.
Es war höchst seltsam, dass dies jetzt geschah, da ihre Welt ringsum zu zerfallen schien und der Tod in den Schatten lauerte. Menions turbulentes Leben während der vergangenen Wochen hatte ihn von einem bedrohlichen Kampf in den anderen gerissen, jedesmal auf Leben und Tod, vom Standpunkt sterblicher Wesen aus offenkundig sinnlos; das Ganze fand seine Logik allein in der seltsamen Legende vom rätselhaften Schwert von Shannara und dem Dämonen-Lord. In diesen schrecklichen Tagen seit Culhaven hatte ihn das Leben umtobt wie eine Schlacht, und er war richtungslos umhergewirbelt worden. Seine tiefe Freundschaft und Liebe zu Shea und seine nun unterbrochene Gemeinschaft mit den Mitgliedern der Gruppe, die nach Paranor und noch weiter gezogen war, hatten ein schwaches Gefühl der Stabilität hervorgerufen, einen Fingerzeig, dass irgend etwas von Bestand sein würde, während der Rest der Welt davon gerissen wurde. Dann hatte er unerwartet Shirl Ravenlock gefunden, und der überstürzte Ablauf der Dinge, die gemeinsam erlebten Gefahren, verbunden mit einer voraussehbaren Verflechtung persönlicher Bedürfnisse, hatten sie
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