Shannara I
untrennbar miteinander verbunden. Menion schloss die Augen und presste Shirl fester an sich.
Palance war wenigstens in einer Hinsicht von Nutzen gewesen - er hatte ihnen verraten, dass Balinor und vermutlich auch die anderen in den Verliesen irgendwo unter dem Palast eingesperrt waren. Offenkundig war bereits ein Ausbruchsversuch gescheitert. Menion war entschlossen, keinen Fehler zu begehen. Er besprach sich leise mit Shirl, bemüht, zu entscheiden, wie es weitergehen sollte. Wenn Palance darauf bestand, Shirl in seiner Nähe zu halten, um ihr seinen Schutz angedeihen zu lassen, würde sie in ihrer Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt sein. Eine größere Bedrohung war jedoch die Besessenheit des Prinzen, sie zu heiraten, in dem falschen Glauben, sie liebe ihn. Palance Buckhannah schien am Rand des völligen Wahnsinns zu stehen. Er mochte jeden Augenblick das seelische Gleichgewicht verlieren, und wenn das geschah, solange Balinor sein Gefangener war… dann…
Menion unterbrach seine Gedankengänge; er wusste, dass die Zeit keine Spekulationen darüber zuließ, was morgen geschehen mochte. Es würde nicht mehr von Bedeutung sein, denn die Invasionsarmee aus dem Norden würde dann vor den Toren stehen. Balinor musste deshalb auf der Stelle befreit werden. Menion hatte einen starken Verbündeten in Janus Senpre, aber der Palast wurde bewacht von den schwarzuniformierten Soldaten, die nur dem Herrscher dienten, und dieser schien im Augenblick allein Palance Buckhannah zu sein. Niemand wusste, was aus dem alten König geworden war; seit Wochen hatte ihn keiner mehr gesehen. Offenkundig konnte er sich von seinem Krankenbett nicht erheben, aber dafür hatte man nur das Wort seines Sohnes - und sein Sohn verließ sich auf die Behauptung des sonderbaren Mystikers Stenmin.
Shirl hatte einmal erwähnt, sie habe Palance nie länger als einige Augenblicke ohne seinen Berater gesehen, aber bei der Ankunft aus Kern war Stenmin nirgends zu entdecken gewesen. Das musste als merkwürdig gelten, da doch praktisch jeder wusste, dass Stenmin die eigentliche Macht ausübte. Shirls Vater hatte in der Ratshalle von Kern erklärt, der bösartige Mystiker scheine einen gefährlichen Einfluss auf den jüngeren Sohn Ruhl Buckhannahs auszuüben. Wenn Menion nur dahinterkommen konnte, worauf diese Macht über Palance beruhte - er war überzeugt davon, dass der Mystiker der Schlüssel zum sonderbaren Verhalten des Prinzen war. Aber es blieb zuwenig Zeit. Menion würde mit dem Wenigen, das er wusste, auskommen müssen, um an sein Ziel zu gelangen.
Als er Shirl verließ und in sein eigenes Zimmer zurückkehrte, um zu baden und sich umzuziehen, entwickelte er in seinem Inneren bereits einen Plan zur Befreiung Balinors. Er beschäftigte sich mit den Einzelheiten auch dann noch, als er gebadet hatte. Es wurde an die Tür geklopft. Er schlüpfte in einen Hausrock, der bereitgelegt war, ging durch das Zimmer und öffnete die Tür. Einer der Diener brachte ihm das Schwert von Leah. Er bedankte sich lächelnd und ließ die kostbare Waffe aufs Bett fallen, während er sich entsann, dass er das Schwert während der Wagenfahrt neben sich auf den Sitz gelegt und es dann vergessen hatte. Seine Gedanken wichen ein wenig ab, während er sich anzog, und er dachte stolz an die Kämpfe, die das Schwert schon erlebt hatte. Er hatte so viel durchgemacht, seitdem Shea bei ihm aufgetaucht war - bei den meisten Menschen hätte es ausgereicht für ein ganzes Leben.
Er starrte vor sich hin und dachte traurig an seinen vermissten Freund. Zum tausendstenmal fragte er sich, ob der kleine Talbewohner noch am Leben sein mochte. Eigentlich gehörst du nicht nach Tyrsis, sagte er sich bitter. Shea hatte sich auf ihn verlassen, aber es hatte den Anschein, als sei ihm das übel bekommen, denn Menion hatte sich immer wieder durch die Wünsche Allanons beeinflussen lassen, obschon sein Gewissen ihm bei jeder Gelegenheit gesagt hatte, er schade seinem Begleiter, wenn er sich dem Rat des Druiden beuge. Der Gedanke, dass er seine klare Verantwortung für den Talbewohner hatte zurücktreten lassen, ärgerte ihn zutiefst. Es war nicht zu leugnen, dass er die Entscheidungen, die ihn zuletzt nach Tyrsis geführt hatten, allein getroffen hatte. Es gab eben außer Shea auch noch andere, die seiner Hilfe dringend bedurften…
Er ging mit gemessenen Schritten durch das große Zimmer und ließ sich auf das weiche Bett fallen. Seine ausgestreckte Hand berührte das kühle Metall seines
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