Shannara I
nicht heiterer; die Sonne wurde von dem bleiernen Nebel fast ganz verhüllt. Die Totenstille hielt an, und die drei Männer schauten sich mit einem unheimlichen Gefühl um. Sie glaubten, von der ganzen Welt abgeschnitten zu sein. Die endlose Leere begann, auf Shea und Panamon eine deutliche Wirkung auszuüben. Shea war in den vergangenen Tagen nervös und unsicher geworden, und Panamon, sonst fast immer fröhlich und gesprächig, gab sich immer wortkarger. Allein Keltset blieb unverändert. Seine Miene war ausdruckslos wie immer.
Sie verzehrten ein bescheidenes Frühstück und nahmen die Verfolgung wieder auf, wenngleich widerwillig; ihr einziger Wunsch bestand darin, die Sache zu Ende zu bringen. Sie machten weiter, weil sie zum einen keine andere Möglichkeit sahen, zum anderen aus reiner Selbsterhaltung. Panamon und Shea gaben sich zwar keine Rechenschaft darüber, aber die Frage war, weshalb Keltset die Suche fortsetzte. Er befand sich in vertrauter Umgebung und hätte wohl auch allein überleben können, wenn er es vorgezogen hätte, sich abzusondern. Die beiden Männer hatten erfolglos versucht, Keltsets Beweggründe dafür zu erkennen, warum er während des dreitägigen Regens bei ihnen geblieben war. Nun, zu erschöpft, um der Sache tiefer auf den Grund zu gehen, akzeptierten sie mit ein wenig Argwohn seine Gegenwart und hofften darauf, dass sie erfahren würden, wer und was er sei, bevor die Reise zu Ende ging. Sie stapften weiter durch Staub und Dunst, während aus dem Morgen dumpfer Mittag wurde.
Schlagartig blieb Panamon stehen.
»Spuren!«
Der hochgewachsene Dieb stieß einen Freudenschrei aus und stürzte hinunter in eine kleine Talenge zu ihrer Linken. Keltset und Shea starrten ihm verblüfft nach. Augenblicke später knieten sie alle drei vor einer Reihe im Staub deutlich abgezeichneter Fußabdrücke. Deren Herkunft war unverkennbar; selbst Shea erkannte, dass sie von Gnomenstiefeln stammten. Die Absätze waren abgetreten und rissig. Die Fährte war frisch und führte nach Norden, verlief aber im Zickzack, so dass es den Anschein hatte, als laufe Orl Fane, um den allein es sich handeln konnte, ziellos herum. Sie sahen einander an und erhoben sich auf Panamons drängende Geste. Die Fährte war erst wenige Stunden alt, und nach dem unregelmäßigen Verlauf zu schließen, würde Orl Fane leicht einzuholen sein. Panamon vermochte die Freude über seinen Fund kaum zu verbergen. Wortlos schulterten die drei Männer wieder ihre Habseligkeiten und marschierten mit grimmiger Entschlossenheit nach Norden. Es musste heute noch gelingen, Orl Fane einzuholen.
Die Spur, die der Gnom hinterlassen hatte, wand sich auf verwirrende Weise zwischen den staubbedeckten Hügeln des unteren Nordlandes dahin. Manchmal führte der Weg direkt nach Osten, und einmal verlief er sogar in entgegengesetzter Richtung. Der Nachmittag zog sich endlos dahin, und obwohl Keltset andeutete, dass die Spur frischer wurde, schienen sie nicht merklich aufzuholen. Wenn es dunkel werden sollte, bevor sie des Gnoms ansichtig wurden, bestand die große Gefahr, dass sie ihn erneut verloren. Sie waren aber nicht gewillt, das ein drittes Mal zuzulassen, und Shea hatte sich im stillen geschworen, Orl Fane notfalls sogar in der Dunkelheit weiterzuverfolgen.
Die Riesengipfel des unheimlichen Schädelreiches ragten in der Ferne drohend empor, mit schwarzen, scharfen Spitzen, die sich als Messer in den Himmel zu bohren schienen. In Sheas Gemüt nistete sich ein Angstgefühl ein, das er nicht abzuschütteln vermochte, das im Gegenteil immer stärker wurde, je weiter sie in das Nordland vordrangen. Er war zu der Überzeugung gelangt, dass er sich mehr aufgeladen hatte, als ursprünglich vorauszusehen gewesen war, dass die Suche nach Orl Fane und dem Schwert von Shannara in Wahrheit nur Bestandteil eines viel umfassenderen Planes war. Das Angstgefühl war noch nicht stark genug, um ihn in Panik zu versetzen, aber es drängte ihn mit unwiderstehlicher Kraft, dieser irrsinnigen Jagd ein Ende zu bereiten und den Rückweg in seine Heimat anzutreten.
Es war später Nachmittag, als sich das Hügelland zu einer welligen Ebene abflachte, auf der die drei Männer weiter blicken und zum erstenmal seit dem Durchschreiten der schwarzen Wand auch ganz aufrecht und beinahe entspannt gehen konnten. Das Land breitete sich vor ihnen mit atemberaubender Nacktheit aus, eine trostlose, leere Ebene aus brauner Erde und grauem Gestein, die sich bis zu den hohen Gipfeln an
Weitere Kostenlose Bücher