Shannara II
Die Dämonen stellten eine unbegreifliche Macht des Bösen dar, aus einer Welt geboren, die längst vergangen war, die keiner außer ihnen je gesehen hatte, die kein anderer sich auch nur vorstellen konnte.
Er hielt inne in seinem Gedankenfluß. Keiner außer Allanon, verbesserte er sich, und Allanon selbst war vielleicht ein Teil dieser dunklen, vergessenen Welt.
Sein Vater, der König, tauchte plötzlich aus der Finsternis auf und trat an seine Seite. Stumm reichte Andor ihm den Ellcrys-Stab zurück. Müdigkeit und Besorgnis zeichneten das Antlitz des alten Mannes, spiegelten sich in seinen Augen wider. Andor zwang sich, den Blick abzuwenden.
»Ist alles in Ordnung?« fragte er nach einem kurzen Schweigen.
Der König nickte verschlossen.
»Alle Verteidigungsstellungen sind planmäßig bezogen.«
Sie schwiegen wieder. Andor hatte das Bedürfnis, mehr mit seinem Vater zu sprechen. In ihm machte ein Unbehagen sich breit, das sich nicht beruhigen ließ und den Wunsch in ihm weckte, seinem Vater nahe zu sein. Dann hätte er ihm das begreiflich gemacht. Doch aus irgendeinem Grund fiel es ihm schwer, mit seinem Vater über solche Dinge zu sprechen. Sie hatten sich beide noch nie sehr gut darauf verstanden, einander ihre Gefühle auszudrücken.
Seine Stimmung verdüsterte sich. Auch mit Arion war es so - ganz besonders mit Arion. Zwischen ihnen stand eine Wand der Entfremdung, die er nie richtig verstanden hatte; sie hätte vielleicht zum Einstürzen gebracht werden können, wäre einer von ihnen fähig gewesen, darüber zu sprechen. Doch keiner von beiden hatte es je versucht. Und jetzt war es natürlich noch schlimmer geworden. Arion war zornig über das, was sich auf der Sitzung des Hohen Rates zugetragen hatte; war zornig über Andors Bereitwilligkeit, Amberle als rechtmäßige Überbringerin des Ellcrys-Samens anzuerkennen, und über seine Weigerung, von ihr, wie Arion das für richtig hielt, Rechenschaft für ihr Tun zu verlangen; und so lehnte er es nun ab, auch nur ein Wort mit seinem Bruder zu wechseln. So viel Bitterkeit gärte in Arion! Doch es war eine Bitterkeit, die Andor verstand. Als Amberle damals Arborlon verlassen hatte, ohne Erklärung ihre Pflichten als eine der Erwählten im Stich gelassen hatte, da hatten beide Brüder diese Bitterkeit erfahren - er so sehr wie Arion, denn auch er hatte das Kind geliebt. Allzulange aber hatte er sich von dieser Bitterkeit blenden lassen. Erst als er sie wiedergesehen hatte, war es ihm vergönnt gewesen, einen Teil der früheren Gefühle, die er ihr entgegengebracht hatte, wiederzuentdecken. Gern hätte er das alles Arion erklärt; er hatte das Bedürfnis, es ihm zu erklären. Doch es schien keinen Weg zu geben.
Er fuhr zusammen, als er sich plötzlich bewußt wurde, daß Allanon neben ihm stand. Der Druide war geräuschlos aus dem Nichts aufgetaucht, nicht einmal ein Rascheln der schwarzen Gewänder, die seine Gestalt einhüllten, hatte ihn verraten. Das von der Kapuze beschattete Gesicht blickte Andor einen Moment lang an, dann wandte Allanon sich an den König.
»Ihr schlaft nicht?«
Eventine wirkte zerstreut. »Nein. Noch nicht.«
»Ihr müßt aber ruhen, Elfenkönig.«
»Bald. Allanon, glaubt Ihr, daß Amberle noch am Leben ist?«
Andor stockte der Atem, und er warf einen scheuen Blick auf den Druiden. Allanon besann sich einen Augenblick, bevor er antwortete.
»Sie ist am Leben.«
Als er darauf wiederum schwieg, sah Eventine ihn von der Seite an.
»Wie könnt Ihr das so bestimmt wissen?«
»Ich kann es nicht wissen; aber ich glaube es.«
»Weshalb glaubt Ihr dann, daß sie noch am Leben ist?«
Der Druide hob den Kopf, und die tief eingesunkenen Augen blickten gen Himmel.
»Weil Wil Ohmsford die Elfensteine noch nicht eingesetzt hat. Wäre Amberles Leben in Gefahr, so würde er sich der Kraft der Steine bedienen, um sie zu schützen.«
Andor runzelte die Stirn. Die Elfensteine? Wil Ohmsford? Was hatte das alles zu bedeuten? Dann fiel ihm die zweite vermummte Gestalt im Ratssaal ein, die mit Allanon und Amberle eingetreten war und sich nicht geoffenbart hatte. Das mußte Wil Ohmsford gewesen sein. Hastig wandte er sich nach Allanon um. Fragen formten sich auf seinen Lippen. Doch er sprach sie nicht aus. Statt dessen wandte er sich wieder ab. Vielleicht war es besser, dachte er, diese Fragen nicht zu stellen. Wenn Allanon ihn mehr hätte wissen lassen wollen, dann hätte er von selbst gesprochen. Warum aber hatte der Druide überhaupt etwas
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