Shannara II
Auftrag handeln konnte? Ihre Bestimmung war es gewesen, über das Elfenvolk zu herrschen, ihr Wunsch, ihre Erwartung - doch niemals die seine. Doch jetzt…
Müde schüttelte er den Kopf. Nun sollte er die Herrschaft ausüben, zumindest für eine gewisse Zeit. Und er mußte dieses Heer führen, das vor ihm dem Befehl seines Vaters gehorcht hatte. Er mußte das Sarandanon verteidigen und einen Weg finden, den Vormarsch der Dämonen-Horden zu bremsen. Die Schlacht am Halys-Joch hatte bewiesen, wie schier unmöglich das war. Die Elfen wußten, daß die Dämonen sie wahrscheinlich eingeholt und bis auf den letzten Mann niedergemetzelt hätten, wäre nicht durch den Kampf Allanons mit dem Drachen der gewaltige Erdrutsch ausgelöst worden, der den Paß zugeschüttet hatte. Er sah darum seine erste Aufgabe darin, das Vertrauen und Selbstgefühl der Elfen wieder so aufzurichten, daß sie daran glauben konnten, daß sich solches Schicksal hier, am Baen Draw, nicht wiederholen würde, auch wenn der König sie nicht selbst führen konnte. Kurz, er mußte ihnen Hoffnung geben.
Er setzte sich wieder an das Lager seines Vaters. Keal Pindanon konnte ihm helfen, er hatte in vielen Schlachten gekämpft, war ein kriegserfahrener Soldat. Aber würde er ihm helfen? Er wußte, daß Pindanon wegen seines Befehls zum Rückzug aus dem Grimmzacken-Gebirge erzürnt über ihn sein mußte. Pindanon war noch nicht zurück, da er mit einer Nachhut von Kavalleriesoldaten das Vorrücken der Dämonen zum Sarandanon aufhalten wollte. Einen Vorgeschmack auf seinen Unmut jedoch hatte Andor schon bekommen: Er hatte sehr wohl die Kommentare einer Handvoll von Offizieren vernommen, die zur Kompanie des Befehlshabers gehörten. Sobald Pindanon zurückkehrte, würde er die direkte Konfrontation mit Andor suchen. Und dann würde es zur Krise kommen. Andor wußte schon jetzt, daß der alte Kämpe ihn auffordern würde, ihm das oberste Kommando über das Heer zu geben. Andor schüttelte wieder den Kopf. Leicht wäre es, das zu tun, Pindanon den Oberbefehl und damit die gesamte Verantwortung für die Verteidigung des Elfenreiches zu übertragen. Vielleicht sollte er es tatsächlich tun. Aber irgend etwas in ihm wehrte sich gegen eine so einfache Lösung.
»Was würdest du tun?« fragte er leise seinen Vater, obwohl er wußte, daß er ihm keine Antwort und keinen Rat würde geben können.
Die Zeit rann zäh dahin, und die Dunkelheit brach herein.
Endlich erschien Dardan an der Zeltöffnung.
»Befehlshaber Pindanon ist zurückgekehrt, Herr«, meldete er, »und bittet um eine Unterredung mit Euch.«
Andor nickte und überlegte flüchtig, wohin Allanon wohl verschwunden sein konnte. Seit ihrer Rückkehr hatte er den Druiden nicht mehr gesehen. Aber diese Begegnung mit Pindanon war ohnehin allein seine Sache.
Er erhob sich schwerfällig. Dann erinnerte er sich des Ellcrys-Stabs, der neben dem Lager seines Vaters auf dem Boden lag. Er bückte sich und hob ihn auf. Den Stab in beiden Händen haltend, verharrte er einen Moment lang und blickte auf den alten Mann hinunter.
»Ruh dich gut aus«, flüsterte er schließlich.
Dann drehte er sich um und trat aus dem kleinen Zelt des Königs.
Ein schneller Blick zum Hohlweg zeigte ihm, daß dieser durch Geröll- und Gesteinsmassen völlig blockiert war. Ein bitteres Lächeln flog über sein blutverschmiertes Gesicht. Die Dämonen würden ihnen nicht weiter durch den Halys-Joch Paß folgen können. Die Elfen hatten eine Gnadenfrist gewonnen, eine Chance, sich neu zu ordnen, um an anderer Stelle dem Feind mit frischen Kräften entgegenzutreten.
Er drehte sich um. Hinter ihm drängte sich das Elfenheer. Stumm spähten die Soldaten aus den Schatten, die Gesichter von Erschöpfung und Unsicherheit gezeichnet. Der Elfenprinz wußte, was sie dachten. So viele Dämonen waren aus dem finsteren Verlies hinter der Mauer der Verfemung emporgestiegen - so viele, mehr als sie je für möglich gehalten hatten! Es war ihnen nicht gelungen, ihren Vormarsch hier aufzuhalten. Wie sollten sie sie im Sarandanon halten?
Stumm wandte er sich wieder ab. Er hatte auch keine Antwort darauf.
Im Nachbarraum wartete Kael Pindanon. Staub und Blut bedeckten die Rüstung des Befehlshabers, und das weißbärtige Gesicht war hochrot vor Zorn, als er raschen Schrittes auf den Elfenprinzen zuging.
»Warum habt Ihr mir den Rückzug befohlen, Andor?« fragte er aufgebracht.
Andor ließ sich nicht verunsichern.
»Sprecht leiser,
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