Shannara II
euch doch auf jeden Fall kein Hemmschuh sein. Ich kann auf mich selbst achtgeben - besser als das Elfenmädchen. Ich verlange nichts von dir, Heiler, was nicht auch du von mir verlangen würdest, wäre unsere Situation umgekehrt. Du mußt mich mitnehmen.«
»Eretria, selbst wenn ich damit einverstanden wäre, würde Cephelo dich niemals ziehen lassen.«
»Cephelo würde es erst erfahren, wenn es zu spät ist, etwas daran zu ändern.« Ihre Stimme war hell und erregt. »Nimm mich mit, Heiler. Sag ja.«
Er hätte beinahe zugestimmt. Sie war von solch einer wunderbaren Schönheit, daß es selbst unter normalen Umständen schwer gewesen wäre, ihr irgend etwas abzuschlagen. In diesem Augenblick aber, da sie neben ihm saß mit erwartungsvoll blitzenden Augen, lag eine Verzweiflung in ihrem Ton, die ihn rührte. Sie hatte Angst vor Cephelo und vor dem was er mit ihr anstellen würde. Sie würde nicht betteln, das wußte Wil, aber sie würde weit gehen, um ihn zu bewegen, ihr in die Freiheit zu helfen.
Doch in der Senke wartete der Tod, hatte der alte Mann gesagt. Keiner wagte sich hinein. Es würde schwierig genug werden, Amberle zu beschützen; wenn auch Eretria ihm versichert hatte, daß sie auf sich selbst achtgeben konnte, so würde ihn, das wußte er, das doch nicht daran hindern, sich um sie zu sorgen.
Langsam schüttelte er den Kopf.
»Ich kann nicht, Eretria. Ich kann nicht.«
Lange blieb es still, während sie ihn nur stumm anstarrte. In ihren Augen standen Ungläubigkeit und Zorn; Aufregung und freudige Erwartung darin waren erloschen. Langsam erhob sie sich.
»Obwohl ich dir das Leben gerettet habe, bist du nicht bereit, das meine zu retten. Nun gut.« Sie trat von ihm zurück, während ihr die Tränen über das Gesicht rannen. »Zweimal hast du mich abgewiesen, Wil Ohmsford. Du wirst keine Gelegenheit bekommen, es noch einmal zu tun.«
Sie wirbelte herum und eilte davon. Doch schon nach ein paar Schritten blieb sie stehen.
»Es wird der Tag kommen, Heiler, das sage ich dir voraus, an dem du wünschen wirst, du hättest meine Hilfe nicht so unüberlegt abgelehnt.«
Dann war sie fort, in den Schatten der Nacht verschwunden.
Wil blieb noch eine Weile am Brunnen sitzen und wünschte verzweifelt, daß alles anders wäre, daß es einen vernünftigen Weg gäbe, ihr zu helfen. Dann stand er auf, von Schläfrigkeit überwältigt, und ging wankend davon, um sich zur Ruhe zu legen.
Kapitel 38
Grau und trüb brach der Tag über dem Wildewald an und hüllte die Wälder in Schatten, die sich wie Blutflecken auf der dunklen Erde ausbreiteten. Wolken verschleierten den Morgenhimmel, hingen bleiern und tief über dem Tal, und eine drückende Stille lag in der Luft, wie eine Warnung vor dem Nahen eines sommerlichen Gewitters. Schon waren die Fahrensleute wieder unterwegs, glitten, so schattenhaft wie sie gekommen waren, wieder aus der Lichtung hinaus, auf der Hebels Hütte stand; voran die Reiter, dann der Wagen, auf dem Wil und Amberle saßen, die Hände erhoben, um dem alten Mann flüchtig zuzuwinken, der schweigend vor seiner Hütte stand und ihnen nachblickte. Gemächlich rollte der Wagen in die Düsternis der Wälder hinein. Die massigen, alten Bäume schlossen sich immer enger um sie, bis schließlich nur noch dünne Lichtfäden durch das Blätterdach sickerten und nichts weiter zu sehen war als der schmale, von tiefen Furchen durchzogene Pfad, der in die Tiefen des Tals hineinführte.
Gegen Mitte des Vormittags hatten sie die Hauptstraße wieder erreicht und wandten sich nach Osten. Als der Tag sich langsam wärmte und die Kühle der Nacht verdampfte, sammelten sich Nebel auf dem Grund des Tales, die wie weiße Schleier zwischen den Bäumen hingen.
Wil und Amberle saßen schweigend neben der alten Frau und dachten an das, was vor ihnen lag. Zu einem Gespräch mit Hebel war es nicht mehr gekommen, denn sie hatten die ganze Nacht hindurch fest geschlafen, und bei ihrem Erwachen hatte Cephelo dafür gesorgt, daß der alte Mann nicht in ihre Nähe kam. Jetzt fragten sie sich beide, was er ihnen vielleicht noch hätte sagen können, wenn sich eine Gelegenheit dazu geboten hätte. Ab und zu trabte Cephelo auf seinem Pferd nach hinten zu ihnen, um ein paar Worte mit ihnen zu wechseln, doch das Lächeln und das Gespräch wirkten gezwungen und künstlich. Es war beinahe so, als suche er etwas, doch weder Wil noch Amberle hatten die geringste Ahnung, was es sein könnte. Eretria hielt sich ganz von ihnen fern, und
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