Shannara II
reagieren würden, wie die beiden sich gegenseitig beeinflussen würden, wie seine eigenen Bemerkungen auf sie wirken würden. All dies hatte er gewußt und dieses Wissen angewandt. Shea Ohmsford hatte seinem Enkel einmal erzählt, Allanon besäße die Fähigkeit, die Gedanken anderer zu lesen. Wil verstand jetzt, was sein Großvater damit gemeint hatte.
Nun, wie dem auch sei, er hatte sich verpflichtet. Das konnte nicht ungeschehen gemacht werden, selbst wenn er den Wunsch gehabt hätte, sich von dieser Verpflichtung zu befreien, was jedoch nicht der Fall war. Von jetzt an würde er vor derartigen raffinierten Manipulationen des Druiden auf der Hut sein. Soweit es ihm möglich war, würde er sich bemühen, die Gründe zu erkennen, die sich hinter den Worten und Handlungen Allanons verbargen, um auf diese Weise klarer zu sehen, wohin er dirigiert wurde. Wil Ohmsford ließ sich nicht so leicht an der Nase herumführen. Er stand nun schon seit mehreren Jahren auf eigenen Füßen und hatte nicht die Absicht, sich das Heft aus der Hand nehmen zu lassen. Er mußte sich vor dem Druiden in acht nehmen. Er wollte ihm vertrauen, aber nicht blind und ohne kritische Überlegung. Vielleicht konnte er den Elfen und dem Mädchen Amberle Hilfe leisten; aber er würde selbst darüber entscheiden, wie er diese Hilfe geben wollte. Und er würde selbst darüber entscheiden, wessen Interessen er dienen wollte. Er wollte nichts einfach so akzeptieren, wie es sich darstellte.
Vorsichtig hob er den Kopf und spähte durch den Regen zu der dunklen Gestalt hin, die vor ihm ritt - Allanon, der letzte der Druiden, ein Wesen, das aus einer anderen Zeit kam und dessen besondere Kräfte alles Wissen dieser gegenwärtigen Welt klein und gering erscheinen ließen. Wil mußte ihm vertrauen und doch nicht blindlings vertrauen. Wieder fühlte er sich heillos verwirrt. Worauf hatte er sich da eingelassen? Vielleicht hatte Flick doch recht gehabt. Vielleicht hätte er gut daran getan, seine Entscheidung noch einmal zu überdenken. Aber dazu war es jetzt zu spät. Und zu spät war es auch für diese Gedanken. Er schüttelte den Kopf. Es hatte keinen Sinn, weiter solchen Überlegungen nachzuhängen. Besser war es, den Gedanken eine andere Richtung zu geben.
Den Rest des Tages plagte er sich mit diesem Bemühen ab. Ohne Erfolg.
Der prasselnde Regen flaute allmählich zu einem Nieseln ab und versiegte schließlich ganz im kalten Grau des Abends. Immer noch verhüllten Gewitterwolken den Himmel, als der Einbruch der Nacht den Tag verdunkelte. Dunstschwaden woben in der Luft und wanderten am Waldessaum entlang wie verirrte Kinder.
Allanon lenkte sein Pferd unter das schirmende Dach der mächtigen Bäume, und auf einer kleinen Lichtung schlugen sie ihr Nachtlager auf. Hinter ihnen befand sich, die Wipfel der Wälder weit überragend, die finstere Mauer des Wolfsktaag-Gebirges, schwarz im Dunkel der Nacht. Trotz der Nässe fanden sie genug dürres Holz, um ein kleines Feuer zu entfachen, dessen Flammen an diesem feuchtkalten Abend etwas Wärme spendeten. Sie hängten ihre Reisemäntel über Leinen, die sie von Baum zu Baum gespannt hatten, und pflockten die Pferde in der Nähe an.
Beim Essen, einem kargen Mahl aus kaltem Rindfleisch, Früchten und Nüssen, sprachen sie kaum miteinander. Der Druide hockte in grüblerischem Schweigen da, wie schon seit ihrem Aufbruch aus dem Dorf in seine eigenen Gedanken vertieft. An einem Gespräch schien er kein Interesse zu haben. Doch Wil war entschlossen, mehr darüber zu erfahren, was ihn erwartete, und er hatte nicht die Absicht, seine Fragen noch länger zurückzuhalten. Als sie beide gegessen hatten, rückte er ein wenig näher ans Feuer, tat es recht umständlich, um Allanons Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
»Könnten wir ein Weilchen miteinander reden?« fragte er vorsichtig, eingedenk der Berichte seines Großvaters über das unberechenbare Temperament des großen Alten.
Der Druide blickte ihn einen Augenblick ausdruckslos an, dann nickte er.
»Könnt Ihr mir noch ein wenig mehr über die Geschichte der Elfen erzählen?« fragte Wil, der fand, daß das Gespräch hier seinen Ausgang nehmen müsse.
Allanon lächelte schwach. »Was möchtest du denn gern wissen, Wil Ohmsford?«
Der junge Mann zögerte.
»Gestern abend habt Ihr uns erzählt, daß es die Elfen genau wie die Menschen wirklich gegeben hat, obwohl die geschichtlichen Zeugnisse aus den Zeiten der alten Welt nichts über sie berichten, sondern
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