Shannara II
warfen sich ihre Umhänge über die Schultern. Innerhalb von Sekunden hatten sie Artaq gesattelt, saßen auf und galoppierten wieder nach Norden.
Dem Saum des Waldgebietes folgend, ritten sie in scharfem Tempo und hielten sich dabei im offenen Flachland, das von Mond und Sternen beleuchtet war. Kühle Nachtluft, schwer von Feuchtigkeit und den Gerüchen der Nacht, strömte über sie hinweg, während sie dahinjagten. Das wütende Heulen hinter ihnen verstummte nicht; noch war es weit entfernt, irgendwo jenseits des Mermidon. Die Dämonen-Wölfe waren auf der Suche. Die Spur, der sie folgten, war einen Tag alt; sie ahnten nicht, wie nahe sie ihrer Beute tatsächlich waren.
Artaq lief ruhig und leicht. Ohne Anstrengung flog sein mächtiger Körper über das Grasland, einem der vielen Schatten gleich, die die Sommernacht belebten. Er hatte Ruhe genug gehabt, um sich zu erholen, und würde nicht so schnell an Kraft verlieren. Wil achtete sorgfältig darauf, daß die Geschwindigkeit gleichmäßig blieb, und dem Rappen nicht zuviel abverlangt wurde. Es war noch früh; die Jagd hatte gerade erst begonnen. Wil war zornig auf sich selbst; er hatte nicht geglaubt, daß die Verfolger ihnen so rasch auf die Spur kommen würden. Die Elfensteine mußten ihnen ihre Anwesenheit im Tirfing verraten haben. Und augenblicklich hatten die Dämonen-Wölfe die Verfolgung des Talbewohners und des Elfenmädchens aufgenommen, hatten ihre Spur nach Norden verfolgt, hatten sie jetzt aus den Wäldern des Westlands aufgescheucht. Wenn die Wölfe erst den fluchtartig verlassenen Lagerplatz entdeckt hatten, würden sie wie die Besessenen hinter ihrem Wild herjagen. Die Dämonen würden Wil und Amberle hetzen, bis sie sie faßten.
Mehr als eine Stunde ritten sie über das Land, ohne das Tal zu sichten, unaufhörlich verfolgt vom schrillen Geheul der Bösen. In das Heulen mischten sich jetzt Schreie, die aus dem Grasland unterhalb der Drachenzähne und aus den Ebenen im Norden aufstiegen. Wil erschrak. Die Wölfe hatten sie umzingelt. Nur der Weg in das Westland stand ihnen noch offen. Er fragte sich plötzlich, ob nicht auch dort schon die Feinde warteten. Er erinnerte sich, wie es am Silberfluß gewesen war. Vielleicht war auch das Rhenn-Tal eine Falle. Vielleicht trieben die Verfolger sie absichtlich in das Tal hinein, um sie dort zu vernichten. Aber hatten sie denn noch eine Wahl? Nein, es blieb ihnen gar nichts anderes übrig, als dieses Risiko einzugehen.
Sekunden später steigerte sich das Heulen hinter ihnen zur Raserei. Die Dämonen-Wölfe hatten ihr Lager entdeckt.
Wil spornte Artaq zu gestrecktem Galopp an. Jetzt würden die Dämonen rasch näherkommen, siegessicher, daß ihr Wild dicht vor ihnen floh. Aus Norden und Osten antwortete gellendes, blutgieriges Kreischen dem tollwütigen Geheul aus den Wäldern. Artaq schwitzte, während er mit weit vorgestrecktem Kopf, die Ohren flach angelegt, über das flache Land jagte. Das Gras wurde spärlicher, wich dürren Krüppelbüschen und verdorrendem Gestrüpp; sie hatten die Streleheim-Ebene erreicht. Das Rhenn-Tal konnte nicht mehr weit entfernt sein. Wil neigte sich tief über Artaqs muskulösen Hals und trieb das tapfere Pferd noch mehr an.
In der dritten Stunde der Verfolgungsjagd, als sie das Grasland von Callahorn weit hinter sich gelassen hatten, und die Erde unter Artaqs donnernden Hufen hart und rissig geworden war, als das rasende Geheul der Dämonen-Wölfe so nahe herangekommen war, daß Wil meinte, die riesigen grauen Leiber mußten jeden Augenblick in Sicht kommen, als ihnen die Augen vom Wind tränten und vom Staub verklebt waren und ihre Körper fröstelten vor Angstschweiß, da endlich erblickten der Talbewohner und das Elfenmädchen den zerklüfteten Felskamm, der die Mündung des Rhenn-Tales bildete. Er erhob sich aus dem Flachland unterhalb der Elfenwälder, ein dunkler Felsrücken, der sich schwarz vor dem Nachthimmel abhob. Ohne das Tempo zu verlangsamen, nahmen die Reiter Kurs auf den Paß. Artaqs Flanken arbeiteten, und sein Atem kam mit keuchenden Stößen aus den geblähten Nüstern; der glatte schwarze Körper glänzte von Schweiß. Noch länger machte er sich, während er durch die Dunkelheit preschte, und die beiden jungen Leute, die auf seinem Rücken saßen, klammerten sich verzweifelt fest.
Innerhalb von Sekunden öffnete sich der Paß vor ihnen, zu beiden Seiten bewacht von zerklüfteten Felskämmen. Der Rappe jagte hinein in den engen Flaschenhals des Tals.
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