Shannara III
benutzte das Wünschlied, ihr zu zeigen, wer sie war und was sie mir bedeutete… um ihr klarzumachen, daß ich sie liebte!« Er kämpfte gegen seine Tränen an. »Dann hat sie den Ildatch zerstört - sie hat ihn in Staub verwandelt! Doch als sie das tat, begann der Turm einzustürzen, und irgend etwas geschah mit der Magie. Ich konnte nicht bei ihr bleiben. Und ich konnte sie auch nicht mitbringen. Ich habe es versucht, aber es ging alles so schnell. Ich schaffte es nicht einmal, ihr zu sagen, was geschah! Sie… verschwand einfach, und ich war wieder hier oben…«
Er ließ den Kopf zwischen die Knie sinken und schluchzte. Spinkser umfaßte mit rauhen, knorrigen Händen seine Schultern und drückte sie.
»Du hast das Beste für sie getan, was du konntest, Junge. Du hast alles getan, wozu du in der Lage warst. Du darfst dir keinen Vorwurf machen, daß du nicht mehr geschafft hast.« Er schüttelte seinen schrumpeligen Kopf. »Gütige Geister, ich kann gar nicht glauben, daß du noch am Leben bist! Ich fürchtete, die Magie hätte dich umgebracht. Ich dachte nicht, daß ich dich noch einmal wiedersehen würde!«
Dann drückte er Jair impulsiv an sich und flüsterte: »Du hast mehr Mumm als ich, Junge - entschieden mehr!«
Dann wich er zurück, weil ihm sein Verhalten peinlich war, und murmelte etwas, daß man in diesem Chaos schon nicht mehr richtig wußte, was man tat. Er wollte noch etwas sagen, als die Beben begannen - eine Reihe tiefer, schwerer Erschütterungen, die den Berg bis in sein Innerstes aufwühlten.
»Was geschieht jetzt?« rief er aus und blickte über seine Schulter hinweg in die Schatten, die den Gang verhüllten, der sie hereingeführt hatte.
»Das ist der Maelmord«, erklärte Jair sogleich und rappelte sich schnell wieder hoch. Die Wunde an seiner Schulter stach und schmerzte, als er sich am Beckenrand aufrichtete, und er faßte nach dem Gnomen, um sich aufzustützen. »Spinkser, wir müssen zurück, Brin holen. Sie ist allein dort unten. Wir müssen ihr helfen.«
Der Gnom schenkte ihm daraufhin ein knappes, verbissenes Lächeln. »Natürlich machen wir das, Junge. Du und ich. Wir gehen hier raus. Wir steigen hinunter in den Höllenschlund und werden sie suchen. So, nun leg deinen Arm um meine Schultern und halte dich fest.«
Und so klammerte Jair sich fest an den Gnomen, als der ihren Weg durch die Höhle zu der Treppe, die sie hierhergebracht hatte, zurückverfolgte. Die Abenddämmerung war über das Land hereingebrochen, die Sonne glitt hinter den Gebirgsrand. Schmale Strahlen schwindenden Lichts fielen durch Spalten im Fels und mischten sich ins Zwielicht der Schatten, als die beiden Gefährten unerschütterlich weiterstolperten. Die Beben hielten an, langsam und stetig, um sie eindringlich daran zu erinnern, daß ihnen nicht viel Zeit blieb. Rund um sie her polterten Steinbrocken und Dreck herab und wirbelten Staub auf, der wie Nebel in der stillen Abendluft hing. In der Ferne ertönte gedämpftes Donnern wie von einem aufziehenden Gewitter.
Dann brachten sie die Höhle hinter sich und traten aus dem dunklen Eingang auf das Sims, das zum Croagh hinabführte. Im Osten erstrahlten schon der Mond und vereinzelt Sterne am samtenen Himmel. Schatten warfen kunstvolle Muster an die Felswand und schlossen sich um die letzten Flecken verlöschenden Lichts, wie Tintenkleckse sich auf neuem Papier ausbreiteten.
Inmitten von Schatten und Halblicht lag Garet Jax.
Völlig fassungslos traten Jair und Spinkser hinzu. Der Waffenmeister lag mit zerfetzten schwarzen Gewändern und blutverschmiert an ein paar Felsbrocken gelehnt und hielt das schlanke Schwert noch mit einer Hand umklammert. Er hatte die Augen geschlossen, als ob er schliefe. Zögernd kniete Spinkser neben ihn.
»Ist er tot?« flüsterte Jair und konnte sich kaum überwinden, die Worte auszusprechen.
Der Gnom beugte sich einen Augenblick vor und wich wieder zurück. Er nickte langsam. »Ja, Junge - er ist tot. Er hat endlich etwas gefunden, das es schaffte, ihn umzubringen - etwas, das so gut war wie er.« Aus seiner Stimme klang widerwillige Ungläubigkeit. »Er hat lange und angestrengt genug danach gesucht, wie?«
Jair antwortete nicht. Er dachte an die Male, da der Waffenmeister ihm das Leben gerettet hatte und ihm zu Hilfe gekommen war, wenn kein anderer mehr dazu in der Lage war. Garet Jax, sein Beschützer.
Er hätte gerne geweint, wenn es ihm möglich gewesen wäre, doch er hatte keine Tränen mehr zu vergießen.
Spinkser
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