Shannara III
sie.
Das Echo ihrer Stimme brach sich am Poltern der Erde und war dann verhallt. Der Boden sackte weiter unter ihr ab.
Entschieden und starrsinnig machte sie kehrt und ging weiter. Sie rannte nicht mehr, zum Rennen war sie zu müde. Ihr dunkelhäutiges Gesicht verhärtete sich vor Entschlossenheit, und sie verdrängte alles aus ihrem Denken außer der Notwendigkeit, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Sie durfte nicht aufgeben. Sie war fest entschlossen, weiterzugehen. Und wenn sie nicht mehr aufrecht laufen könnte, würde sie kriechen. Aber sie würde ihren Weg fortsetzen.
Dann sprang plötzlich ein Schatten aus dem wirren Dunkel: riesenhaft, geschmeidig und gespenstisch. Er kam auf sie zu, und sie schrie entsetzt auf. Ein mächtiger Kopf mit Schnurrhaaren rieb sich an ihrem Körper, und leuchtende, blaue Augen blinzelten sie zur Begrüßung an. Es war Wisper! Voll dankbarer Erleichterung ließ sie sich gegen die Moorkatze fallen, weinte rückhaltlos und schlang die Arme um den zottigen Hals. Wisper war sie holen gekommen!
Die Moorkatze drehte sich um, setzte sich wieder in Bewegung und zog sie mit. Sie krallte eine Hand in seine Mähne und stolperte hinterdrein. Sie schlüpften durch den Irrgarten des sterbenden Urwaldes. Rings umher wurde das Donnern lauter, und weitere Beben erschütterten die Erde. Verfaulte Baumstämme brachen um sie nieder. Aus Rissen, die sich in der harten Erde auftaten, schoß beißend und faul stinkender Dampf empor. Findlinge und Erdrutsche lösten sich von den Felswänden, die das Tal umschlossen, und kamen durch die Dunkelheit herabgepoltert.
Doch irgendwie erreichten sie den Croagh, dessen gewundener Verlauf unvermittelt aus der Dunkelheit heraus Gestalt annahm und vom Talboden in die Nacht aufstieg. Die Riesenkatze sprang auf die Treppe, Brin folgte ihr auf den Fersen. Das Talmädchen kletterte höher und ertastete sich unsicher seinen Weg, als das Rumpeln immer lauter wurde. Heftige Erschütterungen ließen den Croagh erzittern, von denen eine kurz auf die vorangegangene folgte. Brin wurde auf die Knie geschleudert. Unter ihr begann das Gestein aufzubrechen und zu splittern. Ganze Teile der Treppe brachen ab und stürzten in die Grube hinab. Noch nicht! schrie sie lautlos. Nicht, ehe ich oben bin! Wispers lautes Gebrüll übertönte das Gepolter, und sie hastete hinter dem großen Kater her. Unter ihnen barsten riesige Bäume wie Reisig. Das letzte Dämmerlicht erstarb, als die Sonne hinter den Horizont glitt, und das ganze Land war in Dunkelheit gehüllt.
Und dann erhob sich das Felssims wieder vor ihr, sie taumelte hinauf und weinte los, als die dunklen Schatten sie umringten. Arme streckten sich ihr entgegen, zerrten sie von den zerfallenden Stufen und fort von dem Abgrund. Kimber drückte und küßte sie, ihr Koboldgesicht strahlte vor Glück, und Tränen standen ihr in den Augen. Cogline brummelte und tupfte ihre Wangen mit einem schmutzigen Tuch ab. Und Rone war da, dessen schlankes, sonnengebräuntes Gesicht ausgezehrt und verschrammt war, doch seine grauen Augen strahlten vor Liebe. Er flüsterte ihren Namen, schlang die Arme um sie und drückte sie fest an sich. In diesem Augenblick begriff sie endlich, daß sie in Sicherheit war.
Wenige Augenblicke später stießen Spinkser und Jair zu ihnen, die auf ihrer verzweifelten Suche nach Brin vom Himmelsbrunnen den Croagh heruntergelaufen kamen. Es gab erstaunte Blicke und erleichterte Ausrufe. Dann fielen Brin und Jair sich wieder in die Arme.
»Also warst du das doch, der im Maelmord zu mir kam«, flüsterte Brin und streichelte über den Kopf ihres Bruders. Sie lächelte durch ihre Tränen hindurch. »Du hast mich gerettet, Jair.«
Jair erwiderte ihre Umarmung, um seine Verlegenheit zu überspielen. Rone trat hinzu und umschlang sie alle beide. »Bei der heiligen Katze, Tiger - wir dachten, du wärst in Shady Vale! Du hältst dich wohl nie an das, was man dir sagt?«
Spinkser hielt sich erst einmal etwas abseits und beäugte alle mit gespieltem Argwohn, angefangen bei den Dreien, die sich da unablässig umarmten und küßten bis hin zu dem spillerigen, alten Mann, dem Mädchen aus den Wäldern und der riesenhaften Moorkatze, die neben ihnen ausgestreckt lag. »Das ist der merkwürdigste Haufen, auf den ich jemals gestoßen bin«, brummelte er vor sich hin.
Dann zog das Poltern vom Talboden wie Donnergrollen durchs Berggestein, und die Erschütterungen ließen den ganzen Croagh bersten. Er stürzte in den
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