Shannara III
Stoffpuppen.
»Rone!« rief Kimber und zerrte ihn von der Stelle, wo der vorderste der schwarzen Geister blindlings umhertaumelte.
Flammen schossen aus den Fingerspitzen der Geister und brachen aus ihren kapuzenverhüllten Gesichtern. Dann lösten sie sich einer nach dem anderen auf, zerfielen wie zerschmetterte Tonskulpturen, und die Mordgeister existierten nicht mehr.
»Rone, was ist mit ihnen geschehen?« flüsterte das Mädchen heiser, und ihre fassungslosen Worte zogen durch die Stille.
Die Hand des Hochländers umfaßte immer noch den Knauf des Schwertes von Leah, als er aufstand und langsam den Kopf schüttelte. Rauch und Trümmerpartikel zogen in der Luft über die Bergwand und schwebten träge um sie her. Wispers zerschundene Gestalt tauchte wie ein Geist aus diesem Dunstschleier auf.
»Brin«, murmelte Rone leise zur Antwort auf Kimbers Frage. Er schüttelte ungläubig den Kopf. »Es war Brin.«
Und dann fühlte er, wie das erste Erdbeben die Bergwand des Maelmord erschütterte.
Erschöpft starrte Brin Ohmsford auf den geschwärzten Stein am Boden des Turmes, wo die Überreste des Ildatch als feiner Staub zurückblieben.
»Da hast du dein Kind der Finsternis«, flüsterte sie bitter, und Tränen rannen ihr übers Gesicht.
Ein heftiges Beben, das aus der Erde emporstieg und sich durch die betagten Mauern ausbreitete, ließ den Turm erzittern. Steine und Balken begannen zu ächzen und nachzugeben und zerbröckelten durch die Vibration, der sie ausgesetzt waren. Brins Kopf fuhr in die Höhe, ihre Augen blinzelten in den Schauer von Sand und Staub, der auf ihr Gesicht niederregnete.
»Jair?« versuchte sie, ihn zu sich zu rufen.
Doch ihr Bruder entglitt ihr, Fleisch und Blut lösten sich wieder in dunstige Luft auf, und er war erneut nur eine Erscheinung. Ein ungläubiger Ausdruck stand im Gesicht des Talbewohners, und es sah aus, als wollte er ihr etwas mitteilen. Seine verdüsterte Gestalt schwebte noch einen Augenblick länger im Schummerlicht des Turms und war dann verschwunden.
Niedergeschlagen starrte Brin ihm hinterdrein. Nun begannen große Steinbrocken des Turmes um sie her herabzufallen, und sie wußte, daß sie nicht bleiben durfte. Mit der schwarzen Magie des Ildatch war es zu Ende, und alles, was aus ihm hervorgegangen war, starb nun.
»Aber ich werde weiterleben!« flüsterte sie leidenschaftlich.
Sie raffte ihren Umhang um sich, machte kehrt und lief aus dem leeren Raum.
Kapitel 46
Das Silberlicht flackerte über den im Becken des Himmelsbrunnens gesammelten Wassern auf, und ein ängstlicher Spinkser stolperte wieder einmal zurück. Eine hell blitzende Explosion ereignete sich mit der intensiven und blendenden Strahlung der Sonne, wie sie sich bei Morgendämmerung über den Horizont schiebt und den Rest der Nacht durchdringt. Sie zuckte durch die dunklen Schatten der Höhle, zersplitterte in weißes Feuer und war vorüber.
Spinkser zuckte zusammen, als er wieder zum Steinbecken blickte. Dort am Rand stand todmüde und zerschlagen Jair Ohmsford.
»Junge!« rief der Gnom mit einem Gemisch von Besorgnis und Erleichterung in der Stimme, als er auf den Talbewohner zustürzte.
Jair sackte erschöpft nach vorn, und der andere fing ihn mit einem Griff um die Taille auf. »Ich konnte sie nicht herausholen, Spinkser«, wisperte er. »Ich habe es versucht, aber die Zauberkraft reichte nicht aus. Ich mußte sie zurücklassen.«
»Nun, nun - laß dir erst einmal einen Augenblick Zeit, um zu Atem zu kommen«, brummte Spinkser, als der Talbewohner über seine Worte stolperte. »Setz dich hier ans Becken.«
Er lehnte Jair gegen die Steinmauer und kniete neben ihm. Der Junge aus dem Tal schaute hoch. »Spinkser, ich war drunten im Maelmord - oder zumindest ein Teil von mir. Ich habe den dritten Zauber angewendet - den der König vom Silberfluß mir geschenkt hat, um Brin zu helfen. Er trug mich ins Licht und dann aus mir heraus - als ob ich aus zwei Persönlichkeiten bestünde. Ich fuhr in die Grube hinab, in der der Sehkristall mir Brin gezeigt hatte. Sie befand sich dort in einem Turm und hielt den Ildatch. Aber der hatte sie verändert, Spinkser. Sie war zu etwas… Schrecklichem geworden…«
»Ganz ruhig, Junge. Ganz langsam erst mal.« Der Gnom sah ihm in die Augen. »Hast du ihr denn helfen können?«
Jair nickte und schluckte dabei. »Sie war völlig verändert, doch ich wußte, wenn ich sie erreichen und berühren könnte und sie mich ebenfalls - dann würde alles gut. Ich
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