Shannara V
hatten ihre Eltern bestanden.
»Aber warum?« unterbrach Wren ihn verwirrt.
Garth wußte es nicht. Man hatte ihm auch niemals gesagt, wer den Handel im Namen der Fahrenden abgeschlossen hatte. Sie war von einem der Ältesten der Familie seiner Obhut übergeben worden, von einem Mann, der kurz darauf gestorben war. Niemand hatte ihm jemals erklärt, warum er sie so ausbilden sollte, wie er es tat - sondern nur, was getan werden sollte. Sie sollte schneller, stärker, klüger und lebensfähiger werden als jeder andere. Garth sollte sie soweit bringen.
Wren setzte sich bedrückt zurück. Was Garth ihr erzählte, wußte sie bereits alles. Er hatte es ihr alles schon zuvor erzählt. Ihr Kiefer spannte sich ärgerlich an. Da mußte noch mehr sein, etwas, das ihr zu der Erkenntnis verhelfen konnte, woher sie kam und warum sie die Elfensteine trug.
»Garth«, versuchte sie es erneut und jetzt eindringlich. »Gibt es etwas, was du mir nicht erzählt hast? Etwas über meine Mutter? Ich habe von ihr geträumt, weißt du. Ich habe ihr Gesicht gesehen. Sag mir, was du vor mir verbirgst!«
Der große Mann zeigte keinerlei Regung, aber in seinen Augen war Schmerz erkennbar. Wren hätte gern die Hand ausgestreckt, um ihn zu beruhigen, aber der Drang, alles wissen zu wollen, hielt sie davon ab. Garth sah sie lange Zeit wortlos an. Dann machten seine Finger kurz Zeichen.
Ich kann dir nichts sagen, was du nicht selbst erkennen kannst.
Sie zuckte zusammen. »Was meinst du?«
Du hast Elfenzüge, Wren. Mehr als jeder andere Ohmsford. Warum, glaubst du, ist das so?
Sie schüttelte den Kopf, denn sie vermochte nicht zu antworten.
Seine Brauen zogen sich zusammen. Es kommt daher, daß deine Eltern beide Elfen waren.
Wren sah ihn ungläubig an. Sie hatte keinerlei Erinnerung daran, daß ihre Eltern wie Elfen ausgesehen hatten, und sie hatte sich selbst immer für eine einfache Fahrende gehalten,
»Woher weißt du das?« fragte sie verblüfft.
Es wurde mir von jemandem erzählt, der sie gesehen hat. Man hat mir auch erzählt, daß es für dich gefährlich wäre, das zu wissen.
»Dennoch hast du es mir jetzt erzählt?«
Garth zuckte die Achseln, als wollte er sagen: »Welchen Unterschied macht das nach dem, was geschehen ist, jetzt noch? Um wie vieles gefährlicher kann es für dich sein, es zu wissen?« Wren nickte. Ihre Mutter eine Fahrende. Ihr Vater ein Ohmsford. Aber beide Elfen. Wie konnte das sein? Fahrende waren keine Elfen.
»Bist du sicher?« fragte sie noch einmal. »Elfen, keine Menschen mit Elfenblut, sondern Elfen?«
Garth nickte fest und signalisierte: Das wurde sehr deutlich ausgesprochen.
Jedem außer mir, dachte sie. Wieso waren ihre Eltern Elfen geworden? Keiner der Ohmsfords war ein Elf gewesen, sondern sie stammten höchstens von den Elfen ab und hatten nur einen geringen Prozentsatz Elfenblut. Bedeutete es, daß ihre Eltern bei den Elfen gelebt hatten? Bedeutete es, daß sie von ihnen abstammten, und war das auch der Grund dafür, daß Allanon sie auf die Suche nach den Elfen geschickt hatte? Weil sie eben selbst ein Elf war?
Sie schaute fort, einen Moment lang überwältigt von ihren Überlegungen. Sie sah wieder das Gesicht ihrer Mutter, wie sie es in ihrem Traum gesehen hatte - das Gesicht eines Mädchens von der Rasse der Menschen, nicht der Elfen. Der Teil von ihr, der zu den Elfen gehörte, diese andersartigen Züge, waren nicht sehr deutlich gewesen. Oder hatte sie sie einfach nicht erkannt? Was war mit ihrem Vater? Eigenartig, dachte sie. Er war bei ihren Überlegungen, was gewesen sein könnte, anscheinend niemals sehr wichtig gewesen, niemals sehr real, und sie wußte nicht, warum. Er hatte für sie kein Gesicht. Er war unsichtbar.
Sie sah wieder Garth an. Er wartete geduldig. »Du wußtest nicht, daß die bemalten Steine Elfensteine waren?« fragte sie ein letztes Mal. »Du wußtest nichts darüber, was sie waren?«
Nichts.
Was, wenn sie sie weggeworfen hätte? fragte sie sich erschreckt. Was wäre dann aus den Plänen ihrer Eltern - wie auch immer sie aussahen - geworden? Aber sie kannte die Antwort auf diese Frage. Sie hätte die bemalten Steine niemals weggegeben, ihre einzige Verbindung zur Vergangenheit, die einzige Erinnerung an ihre Eltern, die sie hatte. Hatten sie sich darauf verlassen? Warum hatten sie ihr zuerst die Elfensteine gegeben? Um sie zu schützen? Vor was? Vor Schattenwesen? Vor Schlimmerem? Vor etwas, das noch nicht einmal existiert hatte, als sie geboren
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