Shannara V
offen sein Blick war. Als wäre diesen Augen unmöglich, jemals etwas geheimzuhalten.
»Triss ist der Hauptmann der Leibgarde«, erklärte die Eule. Wren nickte. Niemand sagte ein Wort. Sie standen einen Moment verlegen da. Wren fiel ein, daß die Leibgarde für die Sicherheit der Elfenherrscher verantwortlich war, und sie fragte sich, warum Triss keinerlei Waffen trug. Und sie fragte sich im nächsten Moment, warum er überhaupt da war. Dann bewegte sich am anderen Ende des dunklen Ganges wieder etwas, und sie alle wandten sich dorthin um.
Zwei Frauen traten aus den Schatten. Die auffallendere der beiden war klein und schlank, hatte flammend rotes Haar, hell durchscheinende Haut und große grüne Augen, die in ihrem seltsam dreieckigen Gesicht auffielen. Aber es war die andere Frau, die größere der beiden, die Wrens Aufmerksamkeit sofort auf sich zog, so daß sie aufsprang, ohne daß ihr überhaupt bewußt wurde, daß sie aufgestanden war, und die sie schnell und erschreckt atmen ließ. Ihre Augen trafen sich, und die Frau verlangsamte ihren Schritt, während ein seltsamer Ausdruck ihr Gesicht zu überziehen begann. Sie hatte lange, schlanke Beine und trug ein Kleid, das bis zum Boden reichte und um ihre schmale Taille zusammengehalten wurde. Ihre Elfenzüge waren fein gemeißelt, mit hohen Wangenknochen und einem breiten, dünnen Mund. Ihre Augen waren sehr blau, und sie hatte flachsfarbenes Haar, das sich auf die Schultern hinabringelte und vom Schlaf zerzaust war. Ihre Gesichtshaut war glatt, wodurch sie ein jugendliches, beinahe altersloses Aussehen bekam.
Wren sah die Frau ungläubig blinzelnd an. Die Farbe der Augen stimmte nicht, und der Haarschnitt war anders, und sie war größer, und ein Dutzend kleiner Merkmale waren anders, aber die Ähnlichkeit war dennoch unverkennbar.
Wren sah sich selbst, wie sie wohl in dreißig Jahren aussehen würde.
Ein Lächeln erschien ohne Vorwarnung auf dem Gesicht der Frau, ganz plötzlich, strahlend und überströmend. »Eowen, sieh nur, wie sehr sie Alleyne gleicht!« rief sie der rothaarigen Frau zu. »Oh, du hattest recht!«
Sie trat langsam vor, streckte die Hand aus, um Wrens Hände in ihre eigenen zu nehmen, und vergaß alle anderen. »Wie ist dein Name, Kind?«
Wren sah sie verwirrt an. Es schien irgendwie, als sollte die Frau das eigentlich wissen. »Wren Ohmsford«, antwortete sie.
»Wren«, hauchte die andere. Das Lächeln verstärkte sich noch, und Wren bemerkte, daß auch sie selbst lächelte. »Willkommen, Wren. Wir haben lange Zeit darauf gewartet, daß du nach Hause kommst.«
Wren blinzelte. Was hatte sie gesagt? Sie sah sich hastig um. Garth war zur Statue geworden, die Eule und Triss wirkten teilnahmslos, und die rothaarige Frau sah angespannt und ängstlich aus. Sie fühlte sich plötzlich im Stich gelassen. Das Licht der Öllampen flackerte unruhig, und die Schatten krochen näher.
»Ich bin Ellenroh Elessedil«, sagte die Frau, und ihre Hände drückten Wren fester, »die Königin von Arborlon und den Westlandelfen. Kind, ich weiß kaum, was ich dir sagen soll, selbst jetzt, nachdem ich dich so sehnlich erwartet habe.« Sie seufzte. »Aber was sage ich? Deine Wunden müssen gewaschen und behandelt werden und die deines Freundes ebenfalls. Ihr müßt etwas zu essen bekommen. Und dann können wir die ganze Nacht reden, wenn es sein muß. Aurin Striate.« Sie wandte sich der Eule zu. »Ich bin wieder einmal in Eurer Schuld. Ich danke Euch mit meinem ganzen Herzen. Dadurch, daß Ihr Wren sicher in die Stadt gebracht habt, gebt Ihr mir neue Hoffnung. Bitte bleibt über Nacht.«
»Ich werde bleiben, Mylady«, erwiderte die Eule sanft.
»Triss, achte darauf, daß dein Freund entsprechend versorgt wird. Und auch Wrens Begleiter.« Sie sah ihn an. »Wie lautet Euer Name?«
»Garth«, antwortete Wren sofort. Sie war plötzlich erschreckt durch die Plötzlichkeit, mit der alles geschah. »Er kann nicht sprechen.« Sie straffte sich kampfbereit. »Garth bleibt bei mir.«
Das Geräusch von Stiefeln in der Halle erregte erneut die Aufmerksamkeit von ihnen allen. Ein weiterer Elf erschien, ein ziemlich großer Mann mit dunklen Haaren, eckigem Gesicht, der genauso bereitwillig und mühelos lächelte wie die Königin. Er betrat selbstsicher und kontrolliert im Sturmschritt den Raum. »Was ist hier los? Können wir nicht ein paar Stunden Schlaf ohne neue Krise genießen? Aha, Aurin Striate ist hergekommen, wie ich sehe, direkt aus dem Feuer. Gut gemacht,
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