Shannara V
Eule. Und Triss ist auch hier?«
Er hielt erst jetzt inne und bemerkte Wren. Einen Augenblick lang spiegelte sich Unglauben in seinem Gesicht. Der verging und sein Blick schweifte zur Königin. »Sie ist doch noch zurückgekehrt, nicht wahr?« Sein Blick kehrte zu Wren zurück. »Und genauso hübsch wie ihre Mutter.«
Wren errötete. Sie war sich bewußt, daß sie davon aus der Fassung gebracht war, konnte sich aber nicht helfen. Das Lächeln des Elfs verstärkte sich und machte sie noch nervöser. Er trat schnell zu ihr und legte schützend den Arm um sie. »Nein, nein, bitte, es ist wahr. Du bist vollkommen deine Mutter.« Er drückte sie freundschaftlich. »Wenn auch ein wenig staubig und zerrissen.«
Sein Lächeln nahm sie ein und wärmte sie. Sie fühlte sich augenblicklich erleichtert. Es war, als gäbe es niemand sonst in dem Raum. »Es war eine ziemlich harte Reise vom Strand hier herauf«, brachte sie mühsam heraus und wurde mit seinem schnellen Lachen belohnt.
»In der Tat hart. Nur sehr wenige andere hätten das geschafft. Ich bin Gavilan Elessedil«, belehrte er sie, »der Neffe der Königin und dein Cousin.« Er unterbrach sich, als er ihren verwirrten Blick sah. »Ach, du weißt noch gar nichts davon, nicht wahr?«
»Gavilan, geh und leg dich schlafen«, unterbrach ihn Ellenroh und lächelte ihn an. »Später ist noch Zeit genug, daß du dich vorstellst. Wren und ich haben jetzt etwas zu besprechen, nur wir beide.«
»Was, ohne mich?« Gavilan sah gekränkt aus. »Ich dachte doch, daß du mich einbeziehen wolltest, Tante Ell. Wer stand Wrens Mutter denn näher als ich?«
Die Königin schaute ihn mit festem Blick an. »Ich.« Sie wandte sich erneut Wren zu, schob Gavilan beiseite und stellte sich neben das Mädchen. Ihre Arme legten sich um Wrens Schultern. »Diese Nacht sollte dir und mir allein vorbehalten bleiben, Wren. Garth wird auf dich warten, bis wir fertig sind. Ich möchte gern, daß zuerst wir miteinander sprechen. Nur wir beide.«
Wren zögerte. Sie erinnerte sich an die Worte der Eule, sie solle nichts von den Elfensteinen sagen, einzig und allein der Königin gegenüber. Sie schaute zu ihm hinüber, aber er sah fort. Die rothaarige Frau indessen sah Gavilan unverwandt mit undurchdringlichem Gesicht an.
Garth weckte ihre Aufmerksamkeit, indem er ihr ein Zeichen machte. Tu, um was sie dich bittet. Noch immer antwortete Wren nicht. Sie war nahe dran, die Wahrheit über ihre Mutter und über ihre Vergangenheit zu erfahren. Sie war dabei, die Antworten zu entdecken, um derentwillen sie gekommen war. Und plötzlich wollte sie nicht allein sein, wenn es soweit war.
Jedermann wartete. Garth machte erneut Zeichen. Tu es. Der harte, unnachgiebige Garth, der Hüter von Geheimnissen!
Wren zwang sich zu einem Lächeln. »Wir werden alleine miteinander sprechen«, sagte sie.
Sie verließen die Eingangshalle, gingen den Gang hinab und eine gewundene Treppe ins zweite Stockwerk des Palastes hinauf. Garth blieb mit Aurin Striate und Triss zurück. Er war offensichtlich unbeeindruckt davon, daß er nicht mit ihr gehen konnte, und zufrieden mit ihrer Trennung, obwohl er wußte, daß es Wren ganz eindeutig nicht so ging. Sie sah, daß Gavilan ihr nachstarrte, sah ihn lächeln und winken und dann in einem anderen Gang verschwinden. Er war ein Kobold, der zu anderen amüsanten Spielen zurückkehrte. Sie mochte ihn instinktiv, genauso wie sie die Eule instinktiv gemocht hatte, aber nicht auf die gleiche Art. Sie war sich noch nicht ganz sicher, worin der Unterschied bestand, denn sie war gegenwärtig noch zu verwirrt von allem, was geschah, als daß sie in der Lage gewesen wäre, ihre Gedanken und Gefühle zu ordnen. Sie mochte ihn, weil er ihr ein gutes Gefühl vermittelte, und das war im Augenblick eigentlich genug.
Trotz der Ermahnung der Königin an die anderen, daß sie mit Wren alleine sprechen wollte, ging ihnen die rothaarige Frau nach. Ihr Gesicht leuchtete geisterhaft weiß aus den Schatten. Wren schaute ein- oder zweimal zu ihr zurück, zu dem seltsam eindringlichen, entfernten Gesicht, zu den großen, grünen Augen, die in anderen Welten verloren schienen, zu dem Flattern schlanker Hände vor einem schlichten, weichen Kleid. Ellenroh schien nicht zu bemerken, daß die andere da war, sondern hastete durch die dunklen Korridore des Palastes auf ihr Ziel zu und verzichtete auf Licht jeglicher Art, außer das des Mondes, das in silbernen Strahlen durch die hohen Glasfenster fiel. Sie gingen
Weitere Kostenlose Bücher