Shannara V
versiegeln! Sie konnte es sich noch immer nicht vorstellen. Elfenmagie, die aus der Feenzeit wiedergewonnen worden war, aus einer Zeit, an die man sich kaum erinnern konnte - es war unglaublich. All diese Macht und doch keine Möglichkeit, sich von den Dämonen zu befreien, keine Möglichkeit, sie zu zerstören! Ihr Mund verschloß sich gegen ein Dutzend von Einwänden. Sie wußte wirklich nicht, was sie glauben sollte.
Sie verbrachten den Morgen und den frühen Nachmittag damit, durch die Stadt zu spazieren. Sie kletterten auf die Festungsmauern und schauten über das jenseitige Land, das dumpf und verschleiert, bar jeder Bewegung dalag, außer dort, wo der Dampf von Killeshan hervorbrach und der Vog umherwirbelte. Sie sahen Phaeton wieder, der von der Stadt zum Keel hinüberging, ohne sie zu bemerken. Sein markantes Gesicht unter dem sonnengebleichten Haar war rauh und voller Narben. Die Eule beobachtete ihn mit steinernem Gesicht und wandte sich gerade um, um ihren Spaziergang fortzusetzen, als Wren ihn bat, ihr von Phaeton zu erzählen. Der Feldkommandant der Königin, antwortete Aurin Striate, sei befehlsmäßig nur noch Barsimmon Oridio untergeben und sei bestrebt, dessen Nachfolger zu werden.
»Warum magst du ihn nicht?« fragte Wren direkt.
Die Eule hob eine Augenbraue. »Das ist schwer zu erklären. Es gibt einen grundlegenden Unterschied zwischen uns, denke ich. Ich verbringe den größten Teil der Zeit außerhalb der Mauern, streife auf der Suche nach Dämonen umher und beobachte, wo sie sind und was sie vorhaben. Ich lebe meistenteils nicht anders als sie, und wenn man das tut, lernt man sie kennen. Ich kenne die Arten und ihre Gewohnheiten und weiß mehr über sie als sonst jemand. Aber Phaeton denkt ganz anders. Für ihn sind die Dämonen einfach Feinde, die zerstört werden müssen. Er möchte mit der Elfenarmee ausschwärmen und sie auslöschen. Er bearbeitet Barsimmon Oridio und die Königin seit Monaten, ihn das tun zu lassen. Seine Männer lieben ihn und denken, er habe recht. Sie wollen einfach glauben, er wüßte etwas, was sie nicht verstehen. Wir sind hier seit fast zehn Jahren hinter dem Keel eingeschlossen. Das Leben geht weiter, und man kann nichts beurteilen, wenn man nur schaut oder nur mit Leuten spricht, die alle im Herzen krank sind. Sie erinnern sich daran, wie sie früher gelebt haben, und so wollen sie wieder leben.«
Wren überlegte kurz, ob sie das Thema, wie die Dämonen dorthin gekommen waren und warum sie nicht einfach wieder zurückgeschickt werden konnten, noch einmal anschneiden sollte, entschied sich aber dagegen. Statt dessen sagte sie: »Ich vermute, du denkst, daß es dort draußen keinerlei Hoffnung auf einen Sieg des Heeres gibt.«
Die Eule sah sie mit starrem Blick an. »Du warst mit mir dort draußen, Wren - und das ist mehr, als Phaeton von sich sagen kann. Du bist vom Strand zu uns herauf gereist. Du hast den Dämonen immer wieder gegenübergestanden. Meinst du nicht auch, daß sie anders sind als wir? Es gibt hundert verschiedene Arten, und jede von ihnen ist auf andere Weise gefährlich. Einige kann man mit einer Eisenklinge töten und andere nicht. Unten am Rowen entlang gibt es die Zurückgekehrten, die nur aus Zähnen und Klauen und Muskeln zu bestehen scheinen. Es sind Tiere. Oben auf dem Blackledge gibt es die Draculs - das sind Geister, die dir das Leben aussaugen. Doch sie sind wie Rauch, sind nichts, was man bekämpfen kann, nichts, in das man ein Schwert stoßen kann. Und das sind nur zwei Arten, Wren.« Er schüttelte den Kopf. »Nein, ich glaube nicht, daß wir dort draußen siegen könnten. Ich glaube, wir haben schon Glück, wenn wir hier drinnen überleben können.«
Sie gingen ein Stück weiter. Dann sagte Wren: »Der Stachelkater hat mir erzählt, daß die Magie, die die Stadt jetzt noch schützt, allmählich schwächer wird.«
Sie formulierte es als Feststellung, nicht als Frage, und wartete auf eine Antwort. Lange Zeit reagierte die Eule nicht, sondern hielt den Kopf geneigt und die Augen auf den Boden vor ihnen gerichtet.
Schließlich schaute er einen kurzen Moment lang zu ihr hinüber und sagte: »Der Stachelkater hat recht.«
Sie stiegen wieder zur Stadt hinab, wanderten durch die Geschäfte und betrachteten aufmerksam die Karren auf dem Marktplatz. Sie begutachteten die Waren und beobachteten die Leute, die hier kauften und verkauften. Arborlon war eine Stadt, die bis auf einen einzigen Punkt jeder anderen Stadt vollkommen glich.
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