Shannara V
ganzen Tag in der Stadt ist, Wren.«
Nicht annähernd so viel, wie ich gern erfahren würde, dachte Wren. »Eowen, warum will mir niemand erzählen, wo die Dämonen hergekommen sind?« fragte sie und schlug alle Vorsicht in den Wind.
Das Lächeln verschwand und wurde von fast greifbarer Traurigkeit verdrängt. »Die Elfen denken nicht gern über die Dämonen nach, und noch weniger mögen sie über sie sprechen«, sagte sie. »Die Dämonen kamen aus der Magie, Wren - aus Mißverständnissen und Mißbrauch. Sie sind eine Angst und eine Schande und ein Versprechen.« Sie hielt inne, als sie die Enttäuschung und Niedergeschlagenheit in Wrens Augen sah, und griff nach ihren Händen. »Die Königin hat es mir verboten, Wren«, flüsterte sie. »Und vielleicht hat sie recht. Aber ich verspreche dir soviel: Eines Tages werde ich dir alles erzählen, wenn du es dann immer noch willst. Und zwar bald.«
Wren erwiderte ihren Blick, sah die Ehrlichkeit, die sich in Eowens Augen widerspiegelte und nickte. »Ich werde dich daran erinnern, Eowen. Aber es wäre mir lieber, wenn sich meine Großmutter entschließen könnte, es mir als erste zu erzählen.«
»Ja, Wren. Das wäre mir auch lieber.« Eowen zögerte. »Wir sind seit langer Zeit zusammen, sie und ich. In der Kinderzeit, zur Zeit unserer ersten Liebe, mit unseren Ehemännern und unseren Kindern. Sie alle sind fort. Alleynes Tod traf uns beide am härtesten. Ich habe deiner Großmutter das niemals erzählt - obwohl ich glaube, daß sie es vermutet hat -, aber ich habe in meiner Vision bereits gesehen, daß Alleyne versuchen würde, nach Arborlon zurückzukehren, und wir unfähig sein würden, sie davon abzuhalten. Eine Seherin ist gesegnet und verflucht mit dem, was sie sieht. Ich weiß, was geschehen wird. Und ich kann nichts tun, um es zu ändern.«
Wren nickte verständnisvoll. »Das ist Magie, Eowen. Wie die der Elfensteine. Ich wünschte, ich könnte davon befreit werden. Ich mißtraue dem, was sie mit mir machen. Ist das bei dir anders?«
Eowen festigte ihren Griff. Ihre grünen Augen blieben auf Wrens Gesicht geheftet. »Wir alle bekommen unser Schicksal von etwas zugewiesen, das wir weder verstehen noch kontrollieren können, und es bindet uns an unsere Zukunft so sicher wie jede Magie.«
Sie ließ Wrens Hand los und trat zurück. »Während wir uns hier unterhalten, entscheidet die Königin über das Schicksal der Elfen, Wren. Deine Ankunft hat alles beschleunigt. Du wolltest wissen, welchen Unterschied deine Anwesenheit hier schon macht? Heute abend, denke ich, wirst du es wissen.«
Wren fuhr auf, als sie es plötzlich erkannte. »Du hattest eine Vision, nicht wahr, Eowen? Du hast gesehen, was sein wird.« Die Seherin hob ihre Hände, als wüßte sie nicht, ob sie die Unterstellung abwehren oder sie eingestehen sollte. »Immer, Kind«, flüsterte sie. »Immer.« Ihr Gesichtsausdruck war gequält. »Die Visionen hören niemals auf.«
Dann wandte sie sich um, ging den Gang hinunter und verschwand wieder. Wren stand da und schaute hinter ihr her, wie sie auch hinter der Eule hergeschaut hatte. Sie waren Propheten, die auf eine unsichere Zukunft zugingen, selbst Visionen dessen, was den Elfen vorherbestimmt war.
Das Abendessen an diesem Abend war eine langwierige, quälende Angelegenheit mit langen Perioden des Schweigens. Wren und Garth waren in der Dämmerung gerufen worden und zu Eowen und der Eule hinuntergegangen, die bereits warteten. Gavilan hatte sich einige Minuten später zu ihnen gesellt. Jetzt saßen sie nahe beieinander an einem Ende des langen Eichentisches. Eine eindrucksvolle Auswahl an Speisen war vor ihnen aufgebaut, Bedienstete standen zu ihrer Verfügung, und der Speisesaal war gegen die hereinbrechende Nacht hell erleuchtet. Sie sprachen wenig, und wenn sie sprachen, taten sie sich schwer damit, nicht auf jene Gebiete abzuschweifen, deren Untergrund sich schon früher als trügerisch erwiesen hatte. Sogar Gavilan, der letztlich den größten Teil der Unterhaltung bestritt, wählte seine Themen sehr sorgfältig. Wren hätte nicht sagen können, ob ihr Cousin durch die Gegenwart von Eowen und der Eule eingeschüchtert war oder ob ihn etwas anderes störte. Er war genau so fröhlich und heiter wie zuvor, aber ihm fehlte jegliches wahre Interesse an der Mahlzeit, und er schien mit seinen Gedanken woanders zu sein. Wenn sie sprachen, so drehte sich ihr Gespräch überwiegend um Wrens Kindheit bei den Fahrenden und Gavilans Erinnerungen an
Weitere Kostenlose Bücher