Shannara V
gleichgültiger Mißachtung Leben stahl. Sie versuchte erneut, sich die Insel vorzustellen, wie sie einst gewesen war, und es gelang ihr wieder nicht. Sie konnte nicht hinter das sehen, was sie war, was sie geworden war.
Zu was die Elfen und ihre Magie sie gemacht hatten.
Und sie dachte einmal mehr an die Geheimnisse, die vor ihr verborgen gehalten wurden - von Ellenroh, von der Eule, von Gavilan, von ihnen allen. Stresa hatte es gewußt. Stresa hätte es ihr gesagt. Jetzt mußte jemand anderer das tun.
Sie berührte Eowen einmal an der Schulter und fragte flüsternd: »Kannst du irgend etwas von dem sehen, was mit uns geschehen wird? Kannst du die Gabe des Sehens anwenden?«
Aber die blasse Frau mit den smaragdgrünen Augen lächelte nur traurig und erwiderte: »Nein, Wren, das Sehen ist von der Magie verhangen, die durch den Kern der Insel läuft. Arborlon hat mir die Sicherheit gegeben, meine Gabe zu nutzen. Hier ist nur Wahnsinn. Vielleicht, wenn ich hinter die Klippen gelangen kann, wo die Sonne hell ist und der Geruch der See… uns erreicht…« Sie brach ab.
Dann sank die Dunkelheit langsam in grauen Schleiern herab, die allmählich das Licht ausschlossen. Sie waren seit dem späten Vormittag gewandert, und es war noch immer nichts vom Blackledge zu sehen. Es gab keinen Hinweis darauf, daß der Sumpf enden würde. Die Eule begann nach einem Platz Ausschau zu halten, wo sie die Nacht verbringen konnten. Immer wieder hielt er sie dazu an, besonders vorsichtig zu sein, jetzt, wo die Schatten das Land überzogen und ihre Augen trogen. Die Stille des Tages wich allmählich den anschwellenden Nachtgeräuschen, einem scharf abgegrenzten und deutlichen Gemisch von Tönen, das aus den dunkleren Flecken aufstieg und durch die Dämmerung hallte. Nach und nach begann das Blattwerk rundum silbern phosphoreszierend zu schimmern, und Fluginsekten glommen und verglühten, während sie durch die Düsternis schweiften.
Gegen die zunehmende Dunkelheit gebeugt schritt Aurin Striates magere Gestalt beständig voran. Wren sah Ellenroh kurz an Triss vorbeigleiten und sich vorbeugen. Offenbar sagte sie etwas zu der Eule. Die Gefährten gingen über einen Flecken, auf dem das Unkraut hüfthoch wuchs, und das schwächer werdende Licht schimmerte von der Oberfläche des Sumpfs zu ihrer Linken träge zurück.
Plötzlich schoß das Wasser in die Höhe, als etwas Großes an die Oberfläche kam, um arglose Beute zu fangen. Mit einem Schnappen schlossen sich die Kiefer dann wieder, als es wieder außer Sicht tauchte. Alle sprangen zur Seite. Für einen Augenblick waren sie aufgewühlt. Wren sah, wie sich die Eule halb abwandte und mit den Händen warnende Zeichen gab. Sie sah noch etwas anderes, etwas, das in der Dämmerung vor ihnen halb verborgen lag. Da war eine blitzartige Bewegung.
Einen Augenblick später hörte sie einen bekannten, zischenden Laut.
Garth konnte ihn zwar nicht gehört haben, aber irgend etwas warnte ihn vor der Gefahr, und er warf sich auf Wren und Eowen und zog sie zu Boden. Hinter ihnen ließ sich Dal instinktiv fallen. Vor ihnen hüllte die Eule Ellenroh Elessedil ein und schob sie auf Triss und Gavilan zu. Es gab ein reißendes Geräusch, als ein Stachelhagel durch die Gräser und das Laub schnitt. Wren hörte ein überraschtes Grunzen. Dann lagen sie alle tief in den Gräsern flach auf der Erde und atmeten schwer in der plötzlichen Stille.
Ein Pfeilschütze!
Der Name kratzte wie rauhe Borke auf bloßer Haut, als sie ihn im Geiste ausrief. Sie erinnerte sich daran, daß einer von ihnen sie auf ihrem Weg in die Stadt beinahe getötet hätte. Garths Arm lockerte sich um ihre Taille, und sie machte ihm schnell ein Zeichen, als sein hartes, bärtiges Gesicht neben dem ihren auftauchte.
Vor ihnen hörte sie ihre Großmutter schluchzen.
Verzweiflung packte sie, so daß sie alles andere vergaß. Sie kroch durch das hohe Gras vorwärts, und die anderen krochen hastig hinter ihr her. Sie kam an Gavilan vorbei, der immer noch herauszufinden versuchte, was vor sich ging, und holte Triss ein, als der Hauptmann der Leibgarde die Königin gerade erreichte.
Ellenroh lag halb über die Eule gebeugt, wiegte ihn in ihrer Armbeuge und streichelte sein verschwitztes Gesicht. Er sah aus wie eine Vogelscheuche, von der nur die Lumpen übriggeblieben sind. Seine Augen waren geöffnet und sahen sie an, und sein Mund versuchte verzweifelt zu schlucken.
Dutzende vergifteter Nadeln des Pfeilschützen stachen aus seinem
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